
Slowenische Minderheit ist Brücke der Freundschaft,
deutsche Minderheit sei es nicht.
Info Nr. 88
10.9.2025 Kärnten/Slowenien – In Klagenfurt tagt das Gemeinsame Komitee Kärnten-Slowenien unter dem gemeinsamen Vorsitz von LH Peter Kaiser und Außenministerin Tanja Fajon.
Die Bedeutung der slowenischen Minderheit wird hervorgehoben. Die Bedeutung der deutschen Minderheit in Slowenien wird von den beiden Politikern ignoriert.
Die Minderheitenfrage stand wie immer im Zentrum der Sitzung: „Hervorgehoben wurde die Bedeutung und der Beitrag der slowenischen Minderheit für die vielfältige und beide Seiten bereichernde Zusammenarbeit zwischen dem Land Kärnten und der Republik Slowenien. (…) Die Zusammenarbeit im Rahmen der Gemeinsamen Kommission im Bildungsbereich wird fortgesetzt. Dies umfasst auch die Zusammenarbeit im Bereich der Vorschulerziehung, einschließlich der Anstellung von Pädagoginnen und Pädagogen aus Slowenien im zweisprachigen Gebiet. (…) Besonderes Augenmerk gilt dem Ausbau des Slowenisch-Unterrichts in Kärnten sowie der Förderung mehrsprachiger Bildungsmodelle. Es wurden auch der Austausch von Unterrichtsmaterialien und Sprachassistentinnen und Assistenten sowie die Ausbildung von Führungskräften (Schulleiterinnen und Schulleitern) besprochen“. Das Gemeinsame Komitee wurde auf Kärntner Seite vom heutigen LH Peter Kaiser initiiert, heißt es in der offiziellen Presseaussendung des Landes (Redaktion: Andreas Schäfermeier).1
Auf einen Beitrag der deutschen Minderheit in Slowenien legten die beiden Politiker also keinen Wert. „Ich bin auf die Kärntner Zweisprachigkeit stolz“, so LH Peter Kaiser am 20.9.2025.2 Diese einseitige Minderheitenpolitik blockiert eine Friedensregion Alpen-Adria! Es muss nun Aufgabe der demokratischen Zivilgesellschaft sein, für eine menschlichere Minderheitenpolitik zu sorgen. Die Gründung eines „Vereines von Freunden der deutschen Minderheit in Kärnten“ wäre ein erster Schritt in eine stabile Friedensregion Alpen-Adria.
– Dem Grunde nach haben in der Vergangenheit weder Kärnten noch Slowenien mit der jeweiligen Minderheit eine Freude gehabt. So argumentierte Kärnten in den 1970er Jahren, dass die slowenische Minderheit für Minderheitenrechte zu klein sei und es gar kein geschlossenes Siedlungsgebiet gebe. Damit wollte man Minderheitenrechte für die slowenische Grenzbevölkerung ablehnen. Slowenien reagierte darauf erfolgreich mit dem Argument: Je kleiner die Minderheit ist umso größer müssen die Rechte sein, damit sie überleben kann. Das will Slowenien seiner eigenen deutschen Minderheit aber nicht bieten.
– „Minderheiten sind niemals ausreichend geschützt“, sagte der slowenische Botschafter Aleksander Geržina im Jahre 2024 bei einem Interview mit der slowenischen Kärntner Kirchenzeitung „Nedelja“. „Das Minderheitenproblem ist selbstverständlich für die Beziehungen zwischen den beiden Staaten bedeutend. Ich würde mir wünschen, dass Österreich etwas mehr Verständnis hätte und erkennen würde, dass Minderheiten niemals ausreichend geschützt sind, weil sie von sich aus ein empfindlicher Teil des Volkskörpers sind und man für sie immer etwas mehr sorgen muss“.3
Für die eigene deutsche Minderheit haben der Botschafter und sein Staat Slowenien kein Verständnis.
– Die slowenische Volksgruppe in Kärnten sei innerhalb von 100 Jahren von 90.000 Personen auf 9.000 geschrumpft. Ein Trauma, klagt Valentin Inzko. 4Warum darf das völlige Verschwinden der deutschen Minderheit in Slowenien kein Trauma sein?
Tatsächlich gaben bei der Volkszählung 1910 in Kärnten 66.463 Personen Slowenisch als ihre Muttersprache an. In Slowenien gaben zur selben Zeit 106.2555 Personen Deutsch als ihre Muttersprache an.
– Heute gilt der Minderheitenschutz (ein Menschenrecht!) für die deutsche Minderheit nicht mehr.
Die deutsche Minderheit wurde zu Kriegsende auch nach Ansicht slowenischer Historiker von den Tito-Partisanen durch Vertreibung und Tötung „vernichtet“. Boris Kidrič (damaliger slowenischer, kommunistischer Regierungschef) betonte im Dezember 1945 in Laibach, dass ihn die Rechte der deutschen Minderheit nicht interessierten, weil es „eine deutsche Minderheit nicht mehr geben wird“. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es im kommunistischen Jugoslawien massive Bestrebungen, Spuren der deutschen Minderheit zu löschen und sie in Vergessenheit geraten zu lassen, so die Historiker Jože Dežman und Hanzi Filipič.5 In Slowenien wurde in Sterntal (Kidričevo) nach dem Krieg für die Deutschen ein zentrales Konzentrationslager eingerichtet. Den Müttern wurden die Kinder abgenommen und in das Kinder-Konzentrationslager Ormož gebracht, wo viele verhungerten.6
– Die Vernichtung der deutschen Minderheit hat zu einer Traumatisierung und Verängstigung der überlebenden deutschsprachigen Menschen geführt. Sie fordern nicht selbstbewusst ihre Rechte, sondern bitten und betteln um ihre Anerkennung. Dies seit Jahrzehnten ohne Erfolg. Nur wenige wagen es, als Repräsentanten der deutschen Minderheit aufzutreten.
Einer davon war Augustin Gril. Zu Jahresbeginn 2024 wurde er wegen der strittigen Abrechnung eines Kulturprojekts zu Hause von zwei Polizisten zwecks Einvernahme bei Gericht abgeholt. „Wenn ich nicht so ermüdet wäre, was das Unrecht betrifft, weil ich ein Deutscher und Gottscheer bin, hätte ich heute wahrscheinlich Selbstmord begangen“, so der verzweifelte und traumatisierte Angehörige der deutschen Minderheit in Slowenien.7
– Die Hilferufe aus Kärnten bleiben ungehört:
Heinz Stritzl, ehemaliger Chefredakteur der Kleinen Zeitung, bat kurz vor seinem Tod in einem offenen Brief den damaligen slowenischen Staatspräsidenten Borut Pahor um Gerechtigkeit für Sloweniendeutsche: „Ihr Vorgänger, Janez Drnovšek, besuchte Untersteirer und Gottscheer und warb für Verzeihen und Verständigung. Dieser Schritt sollte 72 Jahre nach Kriegsende ehrlichen Herzens getan werden. Sehr geehrter Herr Staatspräsident, beweisen Sie bitte Großmut gegenüber der kleinen deutschen Volksgruppe. Es ist aufgrund meines Alters der letzte Brief, der Sie erreicht“.8
Laut Stritzl sollte die „am Hungertuch nagende altösterreichische Volksgruppe“ vorrangig behandelt werden.9
– Am 13.9.2025 wurde vom Gottscheer Verein in Laibach und vom Kulturverein der deutschsprachigen Jugend ein Ausflug in die Gottschee organisiert. August Gril erklärte sinngemäß: 600 Gottscheer haben die Umsiedlung nicht mitgemacht. Sie sind hier geblieben und haben für die Partisanen gearbeitet. Wir waren keine Verräter. Wir haben niemanden verraten. Dennoch wurden wir im Hornwald ermordet. Heute stehen lauter Ruinen. Niemand hat sich entschuldigt. Slowenien hat uns vergessen. Bin traurig. Die Gottscheer haben was anderes verdient. Wir verdienen die Anerkennung.10
– Auch BP Alexander Van der Bellen und seine slowenische Amtskollegin Nataša Pirc Musar haben bei ihrem Treffen am 12.9.2025 in Wien auf die deutsche Minderheit vergessen. Es gab also ein Ja zur slowenischen Minderheit in Kärnten und ein Nein zur deutschen Minderheit in Slowenien.
In einer Presseaussendung heißt es: Beide verstehen, dass die Minderheiten sehr bedeutend sind. Der Besuch in Wien wird fokussiert auf die Situation der slowenischen Volksgemeinschaft in Österreich und auf die Bedeutung der gutnachbarlichen Beziehungen, wurde vom Amt der slowenischen Staatspräsidentin veröffentlicht.11
Nach dem Treffen berichtet das slowenische Präsidentenamt: Zunächst traf die Staatspräsidentin die Vertreter der slowenischen Minderheit, danach aber den Staatspräsidenten Alexander Van der Bellen. Die Gespräche waren der Situation der slowenischen Minderheit gewidmet. (…).
Präs. Musar konkret: „Die slowenische Minderheit ist die Brücke der Freundschaft zwischen den beiden Staaten. Deren Rechte sind nicht eine Angelegenheit des guten Willens, sondern eine Verpflichtung, die in internationalen Abkommen steht. (…) Präs. Van der Bellen beobachte die Fragen der slowenischen Minderheit und setzt sich für eine konsequente Realisierung ihrer Rechte ein“, so die Staatspräsidentin. Darüber hinaus machte die Präsidentin noch darauf aufmerksam, dass die Basis für die Kooperation die Bewahrung der slowenischen Sprache in Österreich ist. Der slowenischen Minderheit muss daher die Möglichkeit einer kontinuierlichen Ausbildung vom Kindergarten bis zur Matura in der slowenischen Muttersprache geboten werden.12
Die deutsche Minderheit beobachten die beiden einflussreichen Politiker nicht. Dabei war diese Minderheit beim Treffen im Jahre 2023 zumindest noch einer Erwähnung wert.
Am 24.4.2023 gab es in Wien ein Treffen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit der slowenischen Amtskollegin Nataša Pirc Musar. Beide bekennen sich auch zum Schutz der slowenischen Volksgruppe in Österreich. Van der Bellen habe auch „neuerlich den Wunsch Wiens wiederholt, Slowenien möge die deutschsprachige Gemeinschaft in Slowenien anerkennen“, so die RTV-Aussendung. Auf diesen „Wunsch“ reagierte die slowenische Präsidentin nicht. In der ORF-Aussendung bleibt die deutsche Minderheit in Slowenien unerwähnt. 13 Im Rahmen der Pressekonferenz bekannte Van der Bellen, dass Minderheitenrechte Menschenrechte seien.14
Beim heurigen Treffen haben beide Politiker die deutsche Minderheit bereits völlig ignoriert.
– Am 25.9.2025 wurde in der Hermagoras-Mohorjeva die Konferenz „Elementarbildung als Schlüssel zum Spracherwerb“ eröffnet. „Die Konferenz gemeinsam/skupno widmet sich der Frage, wie bedeutend die zweisprachige Elementarpädagogik zur Festigung und aktiven Verwendung der Muttersprache ist – mit besonderem Blick auf die slowenische Sprache in Kärnten/Koroška. Ein europäischer Blick zeigt, wie frühkindliche Sprachförderung in anderen Ländern erfolgreich umgesetzt wird – als Bildungschance und gesellschaftlicher Mehrwert. In einer abschließenden Podiumsdiskussion werden die Bedeutung der frühen Sprachförderung sowie die erzielten Ergebnisse der Konferenz vertieft und erste Lösungsansätze erörtert“, wird von der katholischen, Kärntner Institution Hermagoras/Mohorjeva angekündigt. Die Konferenz ist Teil des Projekts LINGUA, das im Rahmen des Interreg Programms Slowenien-Österreich finanziert wird.15
Dennoch wird die deutsche Minderheit in Slowenien ausgeklammert. Dabei könnte es sich sogar um einen Missbrauch von EU-Geldern handeln. „Nur ein Drittel der Kindergärten in Südkärnten bietet zweisprachige Betreuung“, bemängelte Karl Hren, Hermagoras Verein. Eine Revitalisierung der Volksgruppen basiere auf sprachlicher Frühbildung, wird betont.16
Für die deutsche Minderheit gilt dies alles nicht. Mit dieser Minderheit werden auch von der katholischen, kirchlichen Einrichtung Hermagoras-Mohorjeva keine menschenrechtlichen Vergleiche angestellt.
Resümee:
Der deutschen Minderheit in Slowenien muss von der demokratischen Zivilgesellschaft in Kärnten geholfen werden. Hinsichtlich der „am Hungertuch nagenden deutschen Minderheit“ liegt nicht nur ein politisches Versagen der beiden Staaten, sondern auch ein moralisches Versagen unserer Gesellschaft vor. Es darf nicht sein, dass das Unrecht der Vernichtung der deutschen Minderheit zu Recht wird! Wenn Minderheitenrechte Menschenrechte sind, dann müssen diese Rechte endlich auch für Menschen in Slowenien gelten. Wegen dieser Notsituation müsste ein Kärntner „Verein der Freunde der deutschen Minderheit in Slowenien“ unverzüglich gegründet werden. Damit könnte den traumatisierten Menschen in Slowenien eine politische und moralische Unterstützung gewährt werden. Ohne die Anerkennung der deutschen Minderheit in Slowenien ist eine Friedensregion Alpen-Adria undenkbar.
Es ist sehr zu hoffen, dass eine neue Politikergeneration die Ungleichbehandlung von Minderheiten beendet. Auch in der slowenischen Zivilgesellschaft gibt es Hinweise für eine Bereitschaft, die Frage der deutschen Minderheit menschlicher und gerechter zu lösen.
PS. Die Geschichte (NS-Volksgruppenpolitik) und die Gegenwart (Mutterstaat Russland/Ukraine) lehren uns aber, dass wir einen stabilen Frieden erst erreichen werden, wenn sich die sogenannten Mutterstaaten (Mutterländer) „ihre“ im Ausland befindlichen „Volksgemeinschaften“ nicht mehr als „Volksgenossen“ aneignen. Jeder Staat sollte für die eigenen Minderheiten sorgen. Das müsste früher oder später auch für die neuen Minderheiten in Österreich gelten.
1 https://www.ktn.gv.at/Service/News?nid=38707, 10.9.2025.
2 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3322730/, 22.9.2025. (SPÖ-Parteitag in Villach)
3 Nedelja, 3.3.2024, S. 4, 5.
4 https://kaernten.orf.at/stories/3233886, 24.11.2023; https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3233882, 24.11.2023; https://www.gov.si/2023-06-13-svarc-pipan-in-arcon-o-zagot…, 13.6.2023.
5 Jože Dežman, Hanzi Filipič, Heiße Spuren des Kalten Krieges, Hermagoras 2013,S. 51.
Siehe auch die slowenische Fassung „Vroče sledi hladne vojne“.
6 Josef Lausegger, Zur Geschichte der Deutschen auf dem Abstaller Feld (Apaško polje) aus Kärntner Sicht, in: Carinthia I 2020, S. 695 ff.
7 Slovenske novice, 7.3.2024, S. 2, 3; Bericht: Aleksander Brudar.
8 Kleine Zeitung, 11.12.2017, S. 6.
9 Kleine Zeitung, 5.1.2018, S. 34.
10 Der Autor war selbst anwesend. Die Behauptung, dass die verbliebenen Gottscheer für die Partisanen gearbeitet haben, trifft für Gril nachweislich zu. Er scheint sogar als Udba-Mitarbeiter auf.
11 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3321404, 12.9.2025.
12 https://www.predsednica-slo.si/objave/predsednica-pirc-musar-n…, 12.9.2025.
13 https://orf.at/stories/3313756/, 24.4.2023; https://www.rtvslo.si/slovenija/pirc-musar-upam-da-bodo-do-poletja-nasli-izvedljivo-resitev-gled…, 24.4.2023.
14 Novice, 21.4.2023, S. 6; In den Schulen Sloweniens ist die schlechte slowenische Sprachbeherrschung ein Problem. Eine Schulreform ist in Ausarbeitung, Quelle: https://novice.svet24.si/clanek/novice/slovenija/642ff7226e7d1/nez…, 7.4.2023.
15 https://www.mohorjeva.at/api/user/v1/attachments/gemeinsam2025…, Abruf: 23.9.2025.
16 Krone, 26.9.2025, S. 24.