Info Nr. 80
23.8.2024 Europa – Im Jahre 2009 nahm das Europäische Parlament eine Entschließung an, in der es den 23. August zum europaweiten Tag des Gedenkens an die Opfer aller totalitären und autoritären Regime erklärte. Seitdem wird der Gedenktag in der gesamten EU begangen.
„Für uns ist es von entscheidender Bedeutung, das historische Gedächtnis zu bewahren und sich an die Schrecken totalitärer Verbrechen zu erinnern, um die Vergangenheit zu bewältigen und dafür zu sorgen, dass sie sich nicht wiederholt. (…) Niemand sollte jemals wieder unter einem totalitären Regime leiden“, so die Erklärung der Kommission vom 22.8.2024.1
Europa werde erst dann vereint sein, wenn es imstande ist, zu einer gemeinsamen Sicht seiner Geschichte zu gelangen. Nazismus, Stalinismus und faschistische und kommunistische Regime seien als gemeinsames Erbe anzuerkennen und eine ehrliche und tiefgreifende Debatte über deren Verbrechen im vergangenen Jahrhundert sei zu führen, heißt es sinngemäß in der bekannten Entschließung des Europäischen Parlaments aus dem Jahre 2009.
In Kärnten wird der europäische Gedenktag von der Landespolitik, den Medien und auch von der Kirche ignoriert.
In Slowenien wird dieses pazifistische Gedenken kontrovers diskutiert. Dennoch wurden auf dem Kongressplatz in Laibach und an anderen Orten vom Studienzentrum für nationale Versöhnung (Študijski center za narodno spravo), vom Vikariat des Slowenischen Heeres und von der Erzdiözese Kränze niedergelegt. Nach der Heiligen Messe hielt der ehemalige Staatspräsident Borut Pahor die Festrede. Die aktuelle Regierung ermahnte er, sie möge den politischen und ethischen Fehler, den sie mit der Abschaffung des Gedenktages an die Opfer des kommunistischen Regimes begangen hat, wieder beheben.2 Im ehemaligen Konzentrationslager Kidričevo wurde eine Gedenktafel für alle Opfer des nazistischen und kommunistischen Terrors enthüllt. Der Marburger Erzbischof Alojzij Cvikl weihte die Tafel ein. Die Ansprache hielt der Theologe Ivan Štuhec.3
1. In Kärnten ist der europaweite Gedenktag kein Thema.
Auch heuer war es dem Autor dieses Beitrages nicht möglich, in der Kleinen Zeitung (Chefredakteur: Wolfgang Fercher) einen Leserbrief zu diesem pazifistischen Anliegen zu veröffentlichen.
Am 23.8.2024, also am europaweiten Gedenktag an alle totalitären und autoritären Regime, warnte Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser vor „politisch ideologisch vorangetriebener rechtsextremer Hetze“. Der Landeshauptmann bezog sich auf den „rechtsextremen Terroristen und Bombenattentäter Franz Fuchs“.4 Es wurde also an diesem europäischen Gedenktag nicht vor allen totalitären und autoritären Regimen gewarnt, obwohl an diesem Tag natürlich auch der Rechtsextremismus zu thematisieren ist. Der Politiker folgte der ideologischen Perspektive der Ausstellung „1993-1996, Bomben gegen Minderheiten/ Man will uns ans Leben“ (Initiative Minderheiten), die am 19.9.2024 im kärnten.museum eröffnet worden ist.
Laut dieser Ausstellung adressierte der Terror ausschließlich Minderheitenangehörige und ihre politisch-humanitären UnterstützerInnen. Die Ausstellung erinnere somit an den Schrecken des rechtsextremen Terrors und die Angst, die österreichische Minderheiten vier Jahre begleitete. Rechtsextremismus sei keine Randerscheinung mehr. Der Übergang von rechtsextremem Gedankengut zu rechtsextremem Terror, von verbalen Angriffen zu psychischer Gewalt sei fließend. Davon zeuge nicht nur die Geschichte des Brief- und Rohrbombenterrors der 1990er Jahre. Das Thema sei brennend aktuell. Dafür wird das (Kärntner) Klima verantwortlich gemacht.
Das Klima bedingt die Tat, so in der Ausstellung: „Zu Beginn der 1990er Jahre prägte der rechtspopulistische Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) das politische Klima in Kärnten. Bereits sein Vorgänger Leopold Wagner (SPÖ), der sich stolz als hochgradigen Hitlerjungen bezeichnete, verstand es, die aufgeheizte Stimmung der Zeit für seine deutschnationale Politik zu nützen. Mit dem Ortstafelsturm, den Schändungen von PartisanInnendenkmälern und Bombendrohungen stand Kärnten in den 1970er Jahren am Rande eines Bürgerkrieges. 20 Jahre später versetzte der Rohrbombenanschlag auf die zweisprachige Schule die Kärntner SlowenInnen erneut in Angst“.5
Es stimmt, dass der Terror des Attentäters Franz Fuchs (und seiner Hintermänner oder Auftraggeber?) gegen die nationalen Minderheiten gerichtet war. Die Kuratorinnen der Ausstellung schließen daraus, dass es sich deshalb zwingend um einen rechtsextremen Terror handeln muss. Diese Schlussfolgerung ist jedoch aus folgenden Gründen historisch nicht nachvollziehbar:
In dieser Phase wurden in Kärnten auch Brandanschläge auf Einrichtungen der slowenischen Minderheit verübt. Als Attentäter agitierte aber nicht ein Rechtsextremer, sondern ein Kärntner Slowene, der in einem slowenischen, linken Schülerheim beschäftigt war (s.u.). Dieses wichtige Faktum wird in der Ausstellung weggelassen.
Auch das Klima in den 1970er Jahren mit Anschlägen auf Partisanendenkmäler ist, wie Jahrzehnte später nachgewiesen, nicht von einem rechtsextremen Terror ausgegangen. In Wahrheit waren es größtenteils linksorientierte Aktivisten und kommunistische Geheimdienstleute (s.u.).
Sogar im Zusammenhang mit dem Perschmann-Massaker im April 1945 gibt es Zweifel am geltenden Narrativ (s.u.).
Die Ausstellung missachtet diese historischen Fakten und argumentiert ideologisch. Diese Vorgangsweise entspricht somit nicht einer möglichst objektiven historischen Aufarbeitung, wie sie vom Europäischen Parlament erwartet und gefordert wird. Die Präsentation der Schau im Kärntner Landesmuseum (Direktor: Wolfgang Muchitsch) erscheint somit fragwürdig. Mit Ausnahme des Kärntner Landesmuseums wird die Ausstellung angeblich in keinem anderen vergleichbaren Museum gezeigt.
Ein Rückblick auf die Briefbomben:
Franz Fuchs wurde am 1.10.1997 verhaftet und am 10.3.1999 in Abwesenheit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Am 26.2.2000 beging er Selbstmord.6
Von Beginn an ging man von einem politischen Attentat aus; insbesondere rechtsradikale Kreise standen im Visier der Politik und der Meinungsmacher.7 Aber es gab auch andere Stimmen: „Was in den letzten Monaten in Kärnten geschieht ist eine alte Melodie auf einer neuen Platte. Denken wir daran, wie Belgrad jahrelang slowenische Udba-Agenten schickte, die mit Dynamit slowenische Partisanendenkmäler in verschiedenen Kärntner Orten in die Luft sprengten. Weshalb? Um die Feindschaft zwischen den Slowenen und Österreichern zu säen!“, hieß es beispielsweise in einem Leserbrief in der linksgerichteten Laibacher Tageszeitung „Delo“.8
Auch der Verteidiger des Attentäters kritisierte, dass sich das Innenministerium mit Fuchs begnügte. Die Einzeltätertheorie stütze sich lediglich darauf, dass man weitere Täter nicht ermitteln konnte.9
Franz Fuchs gilt bis heute als Einzeltäter, wird auch in der Ausstellung kritisch festgehalten. Auch der Selbstmord wird in Frage gestellt: „Zweifelsfrei liege Selbstmord vor, hieß es. Bereits 24 Stunden später hatte das Justizministerium die letzte Untersuchung abgeschlossen“, wird in der Ausstellung mokiert. Bis heute existiere keine kollektive Erzählung über den größten Kriminalfall der Zweiten Republik. Das Attentat habe keinen Eingang in die offizielle Geschichtsschreibung Kärntens gefunden.10
Auch von der Initiative Minderheiten wird also eine weitere Aufklärung dieses Verbrechens erwartet.
Folgende Indizien lassen einen Einfluss der kommunistischen Udba nicht ausschließen:
Die Planung der Verbrechen ist bereits auf „Anfang der 80er Jahre“, also noch in die jugoslawische Zeit, in die Zeit des Kalten Krieges, zurückzuführen. 11Der Gutachter kam bei der Analyse eines der „BBA“-Schreiben zum Schluss, dass mindestens vier Autoren an der Abfassung beteiligt gewesen sein müssen.12 Fuchs gestand, Mitglied einer „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ (BBA) gewesen zu sein, allerdings nur in untergeordneter Rolle.13 Laut dem Psychiater war die Situation für ihn im Gerichtssaal „ extrem angstauslösend, er ist blass, zittert und schwitzt“. (Vor wem musste er sich fürchten?)
Die slowenische Abstammung des Attentäters könnte auch eine Rolle gespielt haben.14 Gralla liegt im Übrigen nicht weit von Marburg (Maribor) entfernt; die österreichischen Udba-Aktionen gingen vornehmlich von dieser Udba-Zentrale in Marburg aus.
In diesem Zusammenhang ist von größtem Interesse, dass bei vergleichbaren Prozessen in der Vergangenheit die Frage allfälliger (Udba-) Hintermänner ignoriert wurde und im Falle des Völkermarkter Attentates im Jahre 1979 sogar das polizeibekannte Faktum, dass es sich bei den beiden Attentätern um slowenische Udba-Agenten gehandelt hatte, vor Gericht totgeschwiegen wurde.15 In der Studie des slowenischen Autors, Igor Omerza, wird berichtet, dass der Völkermarkter Attentäter Luka Vidmar der österreichischen Polizei bestens bekannt war. Nach dem missglückten Attentat war man aber bemüht, die Herkunft der (Udba-) Attentäter zu vertuschen. Diese Bemühungen halten laut Omerza „bis heute an“.16
Die Staatspolizei suchte die Attentäter im rechtsextremen Lager. Es gab über 40 Hausdurchsuchungen in rechtsextremen Kreisen inkl. Gefängniszellen von einsitzenden Neonazis. In den österreichischen rechtsextremen Kreisen konnte die Justiz trotz intensiver Nachforschungen jedoch keine Mittäter ausfindig machen.
Eine allfällige Einflussnahme von Udba-Agenten, die bekanntlich weiterhin ihren Dienst im demokratischen Slowenien verrichtet hatten, wurde auch im Franz Fuchs-Verfahren nicht in Betracht gezogen. Diese und andere Indizien wären bei einer künftigen historischen Aufarbeitung zu prüfen. Auch die Geschichte der Brandanschläge auf slowenische Einrichtungen ist zu beachten.
2. Ein Rückblick auf die Brandanschläge auf slowenische Einrichtungen:
In der Zeit der Briefbomben wurden in Kärnten auch Brandanschläge auf slowenische Einrichtungen verübt. Als Täter wurde am 6.2.1997 der Erzieher eines slowenischen Schülerheimes verhaftet.
Am 4.12.1996 war laut slowenischen Pressemeldungen der Sitz des ZSO Opfer eines heimtückischen Überfalles. Die Verbrecher seien durch ein Fenster eingedrungen und haben in den Räumen der slowenischen Wochenzeitung Slovenski vestnik Feuer gelegt. Wenige Tage vorher erhielten mehrere slowenische Medien Drohbriefe mit dem Inhalt: Ausländer raus! Wir werden euch bald abschlachten! Slowenische Schweine! Ehre heißt Treue! Heil Hitler!
In den slowenischen Medien in Kärnten und in Solidaritätsschreiben wurde zwischen allen Brandanschlägen, Briefbomben, Sprengstoffanschlägen, Drohbriefen und Drohanrufen ein struktureller Zusammenhang erblickt und mit diesem Bedrohungsszenario wurden Minderheitenrechte (gesichertes Landtagsmandat, Novellierung des Volksgruppengesetzes) eingefordert. In Bekennerschreiben wurde sowohl für die Kärntner Brandanschläge des slowenischen Erziehers als auch für die Bomben des Franz Fuchs die Verantwortung übernommen.
Auch diese Kriminalfälle wurden also von zum Teil gleichlautenden Drohbriefen und Drohanrufen begleitet. Marjan Sturm verwies daher auf Indizien, die seiner Ansicht nach „eindeutig“ für ein politisches Motiv sprechen: „Es wurden nur zwei von fünf Computern gestohlen. Außerdem haben wir in der vergangenen Woche einen Drohbrief erhalten und drittens fällt der Brandanschlag zeitlich mit dem Jahrestag der ersten Briefbomben in Österreich zusammen“.17
„Slovenski vestnik in Flammen“ titulierte die Laibacher Zeitung Republika ihren Bericht. Demnach wurde der österreichische Botschafter in Laibach in das slowenische Außenministerium gerufen und es wurden die anonymen Drohungen zur Sprache gebracht. Lojze Peterle, damals Obmann der slowenischen Christdemokraten, sprach gegenüber dem Vorsitzenden des ZSO Marjan Sturm seine Solidarität aus und war über die undemokratische und kulturlose Einstellung der unbekannten Täter entrüstet. Nanti Olip, Obmann des NSKS, bemerkte in einer offiziellen Aussendung, dass „man den Umfang der Verwüstung und die Absicht der Aktion nicht unter das enge Dach des gewöhnlichen Verbrechens bringen kann, da es sich um einen klaren politischen Hintergrund handelt. (…) Wir fordern die österreichischen Politiker auf, sich aufgrund dieser Gräueltaten klarer für die Volksgruppen zu definieren“. Andrej Wakounig kündigte im Namen der Slowenischen Einheitsliste ein Treffen mit den Innenministern Caspar Einem und Andrej Šter an. Bei diesem Treffen bezog sich dann Marjan Sturm in seiner Stellungnahme auch auf Nordirland. Er kritisierte die Polizei, die trotz aller Hinweise und Warnungen die slowenischen Objekte nicht observierte. Der Angriff auf den ZSO sei ein Angriff auf die gesamte Minderheit und deren Angehörigen fühlten sich bedroht. Nanti Olip stellte einige Forderungen auf, unter anderem forderte er eine Novelle zum Volksgruppengesetz und ein verbürgtes slowenisches Landtagsmandat.
Ivan Lukan schrieb im „Delo“, dass sich das Klima gegenüber den Minderheiten in Österreich weiterhin verschlechtert habe. Dies beweisen die Bombenattentate in den letzten drei Jahren. Er zitierte Marjan Sturm, wonach die Extremisten den Rubikon bereits überschritten hätten. Dessen sollten sich auch die Politiker bewusst sein und die Minderheiten schützen. Man müsste Maßnahmen gegen die terroristischen Extremisten treffen, die mit Gewalt versuchten, auch den Staat ins Wanken zu bringen. Die Minderheiten verlangen daher mit Recht eine Reform des Minderheitenschutzes und eine größere Präsenz der Minderheiten in der österreichischen Gesellschaft. Staatspräsident Milan Kučan besprach mit dem Parlamentspräsidenten Heinz Fischer in Graz am 6.12.1996 die bedrohliche Situation der slowenischen Minderheit in Österreich.
Am 12.12.1996 berichtete der Slovenski vestnik von einer großen Solidarität mit dem ZSO und dem Slovenski vestnik. Man könne nicht alle Solidaritätsbesuche, Telegramme, Fax-Schreiben, Telefonate und Postkarten sowie das umfassende Echo in den Medien wiedergeben. So habe die Minderheitensprecherin der Grünen, die burgenländische Kroatin Terezija Stoisiƈ, die seinerzeit selbst Zielscheibe einer der ersten Briefbomben war, eine klare Äußerung der Politik zu Gunsten der Kärntner Slowenen verlangt. Der Angriff auf die Redaktion des Slovenski vestnik sei eine passende Gelegenheit, dass alle offenen Punkte aus dem Staatsvertrag erfüllt werden. Ihre Solidarität brachten u.a. Larissa Krainer und Dr. Peter Kaiser, die Mitarbeiter des Minderheitenbüros bei der Kärntner Landesregierung, der Klub slowenischer Studentinnen und Studenten in Wien sowie die Landesleitung der KPÖ zum Ausdruck. Am 5.12.besichtigte der slowenische Kulturminister Janez Dular die verwüsteten Räume. Am 6.12. besuchte eine Abgeordnetengruppe der Slowenischen Christdemokraten unter der Führung von Miroslav Mozetič den Sitz des ZSO. Staatspräsident Milan Kučan teilte in einem persönlichen Schreiben sein tiefes Bedauern wegen des Vandalenaktes mit.
Am 12.12.1996 erhielten das slowenische Generalkonsulat und die beiden slowenischen Wochenzeitungen gleichlautende Schreiben, womit in Verbindung mit den Terrorattentaten der letzten drei Jahre die Verantwortung übernommen wird. Eines der Schreiben erhielt der Chefredakteur des Naš tednik, Janko Kulmesch und er zog daraus den Schluss, dass „dem Terror der Nazikreise kein Ende abzusehen ist“. Die unbekannten Autoren schrieben wörtlich: „Das nächste Mal wird es Tote geben!“ Sie bekennen sich zur Ermordung der vier Roma in Oberwart, zu den Briefbomben auf die öffentliche zweisprachige Schule in Klagenfurt, dem brutalen Angriff auf die Räume des ZSO und zum Einbruch in das Slowenische Gymnasium, resümierte Kulmesch. Das Schreiben war mit einem Hakenkreuz versehen und enthielt auch extremes nationalsozialistisches Gedankengut.
Der Slowenische Weltkongress brachte auch seine Besorgnis wegen der Gewalttaten gegenüber den slowenischen Organisationen seitens einiger nationalistischer Extremisten in Österreich zum Ausdruck. Lojze Dolinar unterzeichnete das Schreiben als Vorsitzender der Konferenz für Kärnten.
Hubert Frasnelli, Klubsekretär der Südtiroler Volkspartei, verlangte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Obmann der slowenischen Einheitsliste, Andrej Wakounig, von der österreichischen Bundesregierung einen besseren Schutz für die Angehörigen der Minderheiten. Er forderte erneut, dass die Volksgruppen im österreichischen Parlament und in den Landtagen vertreten sein müssten. Frasnelli traf in Klagenfurt auch die Innenminister von Österreich und Slowenien, Caspar Einem und Adrej Ster und besprach das Attentat auf die Minderheit.
„Am 4. 10. 1994 erhielt der zweisprachige Klagenfurter Wieser Verlag eine Briefbombe, die jedoch nicht detonierte. Ein Bekennerbrief an den slowenischen Außenminister Lojze Peterle Anfang September mit namentlicher Nennung des Verlages kam erst später ans Tageslicht. Obwohl dieses Bekennerscheiben auch Drohungen gegen Eltern, SchülerInnen und Lehrkräfte der VS 24 enthielt und den Wieser Verlag namentlich nannte, erging an die Betroffenen keine Warnung“, heißt es in der Ausstellung. Es ist aufklärungsbedürftig, warum Slowenien von diesem Attentat (und auch von anderen Attentaten?) wusste und Österreich davon nicht in Kenntnis setzte.
Am 6.2.1997 teilte die Polizei mit, dass die Einbrüche und Diebstähle in zahlreiche Einrichtungen der slowenischen Minderheit aufgeklärt sind; man habe einen 40-jährigen Kärntner Slowenen, Lehrer aus Klagenfurt, gefasst. Der „Naš tednik“, Organ des Rates der Kärntner Slowenen (Chefredakteur: Janko Kulmesch) informierte seine Leser nicht darüber, dass die Brandanschläge auf slowenische Einrichtungen von einem slowenischen Erzieher ausgeführt worden sind.18
Dazu ein Kommentar in der Kronen Zeitung: „Der ORF blies das Attentat über die ZIB I österreichweit zur Riesenstory auf, slowenische Medien schrieben wochenlang von Nazis, die den Slowenen in Kärnten mit Ermordung drohen. (…) Jetzt, da der Täter – wie berichtet – gefasst ist, herrscht Schweigen. Keine Richtigstellung in der ZIB I, kein Wort des Bedauerns der sonst so wortgewaltigen Slowenenfunktionäre...“19
Seit der Bekanntgabe des slowenischen Attentäters werden die Brandanschläge auf slowenische Einrichtungen nicht mehr thematisiert und auch in der Ausstellung werden sie weggelassen. Der Fall macht deutlich, wie das Land Kärnten völlig schuldlos gezielt in Misskredit gebracht worden ist.
3. Ein Rückblick auf den Bomben-und Geheimdienstterror im Kärnten der 1970er Jahre:
Hinter dem Bomben- und Geheimdienstterror im Kärnten der 1970er Jahre wurden ebenfalls rechtsextreme Kreise vermutet. Eine Debatte über eine Involvierung des slowenisch-jugoslawischen Geheimdienstes Udba in Kooperation mit Kärntner Erfüllungsgehilfen fand nicht statt. Überlegungen in diese Richtung galten als paradox, ganz und gar abwegig. Mit allen Mitteln sollte Kärnten in Misskredit gebracht werden. Jugoslawische Medien und in deren Sog österreichische Zeitungen, in denen in Einzelfällen auch UDBA-Mitarbeiter als Redakteure fungierten, sorgten für die Verbreitung von irreführenden Informationen: Kärnten sei ein faschistischer Keimboden und neofaschistische Gruppen seien für die terroristischen Übergriffe auf Gedenkstätten des antifaschistischen Widerstandes verantwortlich.
Erst im Jahre 2015 wurde das Gegenteil bewiesen. Es war der Geheimdienst UDBA selbst und Helfershelfer aus der slowenischen Minderheit, aber auch aus Kreisen der Mehrheitsbevölkerung, die Sprengstoffanschläge ausführten und Schmierkampagnen organisierten.20
In der Ausstellung im kärnten.museum wird der Terror der 1970er Jahre jedoch weiterhin mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht: „Mit dem Ortstafelsturm und den Schändungen von PartisanInnendenkmälern und Bombendrohungen stand Kärnten in den 1970er Jahren am Rande eines Bürgerkrieges. 20 Jahre später versetzte der Rohrbombenanschlag auf die zweisprachige Schule die Kärntner SlowenInnen erneut in Angst“. Es wurden in der wissenschaftlichen Literatur bereits vor Jahren Namen von Tätern aus dem Kreis der Partisanenbewegung veröffentlicht. In der Ausstellung werden also weiterhin Legenden publiziert, die ursprünglich von der Täterseite verbreitet worden sind.
4. Rückblick auf das Perschmann-Massaker
Auch das Perschmann-Massaker vom April 1945 ist in diesem Zusammenhang zu thematisieren. Über die Täterschaft und den Ablauf des Verbrechens gibt es ein herrschendes Narrativ: Am 25.4.1945 – kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges – kam es zum Massaker auf dem Peršmanhof. Zwei Männer des SS-Polizei-Regiments 13 erschossen elf Familienmitglieder. Fünf ermordeten sie im Hof, sechs Personen verbrannten nach ihrer Erschießung im Bereich des Wohnhauses. Nur drei Kinder überlebten das Massaker, so sinngemäß im Unterrichtsbehelf der Pädagogischen Hochschule für Schulworkshops am Peršmanhof.21 „Dabei erschossen mutmaßlich zwei Angehörige des SS- und Polizeiregiments die anwesenden Familienmitglieder“, so im Standardwerk „Peršman“.22
„Dass das Verbrechen vor Gericht nicht aufgeklärt und die Täter nicht überführt werden konnten, war der Nährboden für wilde Spekulationen. Die so weit gingen, dass manche die Partisanen selbst für die Massaker verantwortlich machten. Diese Gerüchte wollen bis zum heutigen Tag nicht verstummen. (…) Möglicherweise ist das letzte Wort zur Peršmanproblematik noch nicht gesprochen. Es sollte klar werden, dass die Geschichte immer wieder neu erforscht, neu geschrieben und interpretiert sowie dem neuesten Forschungs- und Bewusstseinsstand angepasst werden sollte und nicht Ideologen und Apologeten überlassen bleiben darf“, stellte der Historiker Wilhelm Baum fest.23
Das Verbrechen ist noch immer nicht aufgeklärt. Es wird ideologisch ausgenützt.
5. Schlussfolgerung
In der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 2.4.2009 werden „Nazismus, Stalinismus und faschistische sowie kommunistische Regime“ als totalitäre und autoritäre Regime definiert. In Kärnten wird jedoch am europaweiten Gedenktag nicht vor allen totalitären und autoritären Regimen gewarnt. Die parteiische, ideologische Orientierung der im Museum Kärnten (Direktor: Wolfgang Muchitsch) gezeigten Ausstellung könnte auch im Gedenkjahr 2025 zur Geltung kommen. Es ist zu befürchten, dass im Jahr der Kärntner Erinnerungskultur 2025 die pazifistische Entschließung des Europäischen Parlaments in Kärnten weiterhin ignoriert werden wird.
Im Jahre 2025 wird im Übrigen der 30. Jahrestag der Zugehörigkeit Österreichs zur EU begangen. Es wäre ein würdiger Anlass, in diesem Jahr den europaweiten Gedenktag (23. August) nicht mehr zu ignorieren und die konfrontative Erinnerungskultur in eine neue verbindende Friedens- und Versöhnungskultur zu transformieren. Schließlich geht es darum, insbesondere die junge Generation mit dem europäischen pazifistischen Geschichtsverständnis vertraut zu machen. Dazu wird aber auch die Kärntner Zivilgesellschaft einen entscheidenden Beitrag leisten müssen.
Die Briefbomben, die Brandanschläge, die Sprengstoffanschläge und das Perschmann-Massaker lassen gemeinsame ideologische Muster erkennen und scheinen in einem strategischen Zusammenhang zu stehen. Es ging dabei insbesondere um eine Destabilisierung der (westlichen) Gesellschaft mit dem Ziel eines Bürgerkrieges, um die Durchsetzung von Minderheitenrechten und um eine unmittelbare Einflussnahme auf das Wahlverhalten der Kärntner Bevölkerung.
Mit allen Mitteln sollte Kärnten in Misskredit gebracht werden. Dem Land Kärnten wurde bekanntlich damit ein unglaublicher, permanenter Imageschaden zugefügt. Die Kärntner Landesbevölkerung müsste somit ein brennendes Interesse daran haben, die belastende Landesgeschichte aufzuklären.
Es ist nicht auszuschließen, dass von Hintermännern Agents Provocateurs eingesetzt worden sind.24 Die Verbrechen passierten alle im Dunstkreis des Kalten Krieges. Danach sind vergleichbare Attentate ausgeblieben. Sie werden aber noch heute für eine politisch-ideologische Agitation eingesetzt. Fachexperten müssten im Vorfeld des Kärntner Gedenkjahres 2025 ohne ideologische Vorbehalte im Sinne der Entschließung des Europäischen Parlaments den Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus in Kärnten ehrlich und tiefgreifend historisch und politikwissenschaftlich aufarbeiten.
1 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/statement-2…, 22.8.2024.
2https://www.rtvslo.si/slovenija/nihce-vec-ne-bi-smel-trpeti-v-totalitarnem-rezimu/71890…, 23.8.2024.
3https://www.rtvslo.si/nihce-vec-ne-bi-smel-trpeti-v-totalitarnem-rezimu/71890…, 23.8.2024.
4 https://kaernten.orf.at/stories/3270283/, 23.8.2023.
5 Man will uns ans Leben, Bomben gegen MInderheiten 1993-1996, Kuratorinnen: Vida Bakondy, Cornelia Kogoj, Gamze Ongan. Folder : Ausstellungseröffnung 19.9.2024.
6 Wikipedia.org, Abruf: 29.8.2015.
7Hellwig Valentin, KTZ, 8.2.1995, S. 3. Rechtsextreme in Österreich. Seit den Briefbomben vom Dezember 1993 ist klar: Die rechtsextreme Szene in Österreich ist gefährlich. (…) Das nähere Umfeld der Terroristen besteht aus Leuten, die keine Berührungsängste mit dem NS-Regime haben.
Samo Kobenter stellte im Standard den Anschlag auf die Rennerschule in Klagenfurt in einen direkten Zusammenhang mit der Kärntner Minderheiten-Schulpolitik. Mit der Explosion des Sprengsatzes in Klagenfurt wurde die Gesprächsebene zumindest erschüttert, konstatierte er und verwies auf die „rechtsextreme Szene“. Standard, 25.8.1994, S. 1, 6, 30.
8 Delo, 25.11.1994, Leserbrief „Bomben in Kärnten“.
9 Der Standard, 3.2.1999. S. 9; KZ, 3.2.1999, S. 8.
10 Texte der Ausstellung und die Sonderausgabe „stimme“, 131/2024, Zeitschrift der Initiative Minderheiten, S. 33.
11 Vgl. Kleine Zeitung, 3.12.2013, S. 7
12 Profil, 15.9.1997, S. 42.
13 KZ 6.10.1997, S. 12.
14 KZ, 1.11.1997, S. 1.
15 Elste, Wadl, S. 584.
16 Igor Omerza, BombenAttentate, 2012, Kärnten in Flammen, S. 250, 269. Luka Vidmar wird im Buch sogar als Doppelagent bezeichnet, was jedoch auf einen Übersetzungsfehler zurückzuführen ist.
17 KTZ, 5.12.1996, S. 5.
18 Slovenski vestnik, 5.12.1996, 12.12.1996, 13.2.1997; Naš tednik, 6.12.1996, 13.12.1996; Republika, 5.12.1996, 14.12.1996; Večer, 6.12.1996, 7.12.1996, 13.12.1996, 7.2.1997; Delo, 6.12.1996.
19 Kronen Zeitung, 13.2.1997, S. 24; Autor: Spei.
20 Titos langer Schatten 2015, S. 14, 754.
21 Widerstand, Zivilcourage und ich, Klagenfurt 2021, S. 6; Projektteam: Markus Gönitzer, Katarina Wrolich, Daniel Wutti, Nadja Danglmaier, Eva Hartmann.
22 Peršman, herausgegeben von Lisa Rettl, Gudrun Blohberger, Verband der Kärntner Partisanen und der Verein Peršman, Wallstein Verlag 2014, S. 431.
23 Wilhelm Baum, Peršmanhof 1945, Protokolle eines NS-Kriegsverbrechens, 2013, S. 9, 164.
24 Geschätzte 20 bis 25 Agents provokateurs sollen es gewesen sein, die die österreichischen Staatsschützer ins Auge nahmen. Den Staatsschützern waren jedoch die Hände gebunden, weil Wien prinzipiell verlangte, die Minderheit mit Glacehandschuhen anzufassen. Quelle: Titos langer Schatten, S. 752.