St. Jakob im Rosental: Ein missverständliches CarinthiJa 2020 – Projekt

Trennen oder Verbinden?

 

19.6.2020  St. Jakob i.R. –  CarinthiJa 2020: Projekt des Slowenischen Kulturvereins Rož mit dem Titel „Hranca-Grenze“. Im Mittelpunkt steht die „Grenze“ innerhalb der Gemeinde seit 100 Jahren, berichtet Hanzi Wuzzela. Von St. Peter gegen St. Jakob wird eine „rote, blutige“ Linie als Teil des Projektes „Hranca-Grenze“ gezogen.
Das Projekt wurde am 8.5.2020 mit einer Installation von Barbara Ambrusch-Rapp in der Filialkirche St. Peter gestartet. An diesem Tag wurde erstmals eine rote Grenzlinie angebracht.    

Wuzzela: „Man fragte schon, was wir Slowenen wieder beabsichtigten. Es liegt im Interesse des Kulturvereins, dass den Menschen Fragen gestellt werden. Am ehesten werden Fragen gestellt, wenn etwas sichtbar wird. Dabei erlebten wir verschiedene Überraschungen, dass Hauseigentümer zunächst die Zustimmung gaben, dass wir die Grenze über ihre Liegenschaft ziehen, dann haben sie diese Zustimmung aber wieder zurückgenommen. Sie bekamen Angst und fragten sich – was soll das schon wieder? (…) Im Kulturverein Rož sind wir größtenteils Nachkommen jener, die für den SHS-Staat gestimmt haben und im Rahmen des Landesprojektes kann dies klar gesagt werden“.
Wuzzela auf die Frage, warum Nachkommen von Personen, die für Jugoslawien votierten, nun beim Projekt CarinthiJa 2020 mitwirken können, womit das ungeteilte Kärnten gepriesen wird: „Es ist fraglich, ob das ungeteilte Kärnten auf diese Weise tatsächlich gefeiert wird. Der Beweggrund für die Zusammenarbeit war die Förderung des Landes Kärnten für Projekte, die zeitgemäß, innovativ sind und das Land keine inhaltlichen Vorgaben gibt und die Projekte nicht eingrenzt“.
Wuzzela auf den Hinweis, dass die Slowenen in Wahrheit im Jahre 2020 nichts zu feiern haben: „Ich gebe Ihnen recht. Es ist aber eine Frage, ob man mit einem Kulturprogramm feiert oder aber Fragen stellt. Unsere Absicht besteht darin, Fragen zu stellen und wir wundern uns, welche Angst man nach wie vor spürt“.

Die „Grenze“ wird endlich sichtbar, berichtet der ORF-Kärnten. Der slowenische Kulturverein Rož sorge mit einem Kunstprojekt „im Jubiläumsjahr“ dafür, dass Grenzen sichtbar werden. Das Projekt werde „im besten Sinne“ für Diskussionen sorgen. Es sei ein ganz schöner Moment, die Grenzen sichtbar zu machen, „damit wir uns daran abarbeiten können“, so Alina Zeichen vom Kulturverein SPD Rož.

Hinweis: Das Projekt des Slowenischen Kulturvereins hat tatsächlich einen blutigen historischen Hintergrund. In St. Jakob i.R. fand vor über 100 Jahren ein blutiger Abwehrkampf statt. Der deutschnationale Abwehrkämpfer Hans Steinacher berichtet, dass am 29.4.1919 „der feindliche Kompanieführer Koren“, aus der Ortschaft Winkl stammend, die Slowenen sammelte.
Auf dem Kirchturm von St. Jakob war ein slowenisches Maschinengewehr angebracht.
Gleichzeitig rief Karl Fritz auf dem Boden der ausgedehnten Gemeinde St. Jakob die Deutschgesinnten zusammen. Gerade innerhalb der Gemeinde St. Jakob ging die Grenze zwischen Windisch und Slowenisch durch die Ortschaften, ja Familien. In erbitterter Feindschaft, von „krainerischen Hetzern“ schon in der Zeit vor dem Weltkrieg erfolgreich geschürt, standen beide Fronten einander gegenüber, so Steinacher. Schließlich wurde mit der Wiedergewinnung von St. Jakob die „feindliche Aktion“ zerschlagen und der Sieg im Abschnitt Rosenbach errungen.3 
Der damalige Ortspfarrer Matija Ražun4 fungierte als Vorsitzender des Slowenischen Volksrates (Narodni svet) und propagierte engagiert den Anschluss an Jugoslawien. Für österreichisch orientierte Gemeindebewohner wurde vom örtlichen Volksrat die Zensur veranlasst. Die Volksabstimmung ergab dann in St. Jakob i.R. eine klare Mehrheit für den SHS-Staat.
Bereits am 12.7.1914 fand in St. Jakob ein slowenischer „Tabor“ statt, womit die Vereinigung in einem slowenisch-kroatischen Staat gefordert worden ist. Für die Organisation wurden von den Pfarrämtern Vertrauensleute nominiert.
Eine weitere „rote Linie“, nämlich die Demarkationslinie, trennte die Zone A und somit auch die Gemeinde St. Jakob, vom übrigen Kärnten bzw. Österreich. Eine „Trennlinie“ wurde auch in den 1970er Jahren gesetzt, als in Kärnten der Bürgerkrieg drohte und sich auch bekannte Extremisten aus St. Jakob an den Unruhen beteiligten.
In der Gemeinde St. Jakob im Rosental belastet wie in kaum einer Südkärntner Gemeinde die trennende Vergangenheit das heutige Miteinander. Man muss diese trennenden „Linien“ nicht suchen, sie sind im Alltag noch immer präsent und belasten die Gemeindebürger. Wenn wir Frieden stiften wollen, müssen wir uns jedoch um den „Abbau nationaler Trennlinien und Grenzen in den Köpfen“ bemühen.5 Es wäre an der Zeit, wenigstens anlässlich des 100. Jahrestages der Volksabstimmung primär das Gemeinsame, und nicht das Trennende, sichtbar zu machen.
 
Resümee:
Dialogbereite Menschen sind erfahrungsgemäß bemüht, dass Gemeinsame, den Konsens, zu suchen. Das ist allgemein bekannt. Wer zwischenmenschliche Grenzen konstruiert, also das Trennende sichtbar machen will, sucht nicht den Dialog. Damit ist vielmehr die Gefahr einer Konfrontation gegeben.
Wenn beim Projekt des Slowenischen Kulturvereins in St. Jakob informierte Gemeindebürger Angst verspüren, dann ist das völlig verständlich
Veranstaltungen zum 100-Jahrjubiläum der Kärntner Volksabstimmung 1920 sollten nicht aus deutschnationaler oder slowenischnationaler Position organisiert werden und bewusst oder unbewusst Diskussionen bzw. Konflikte provozieren. Die Feierlichkeiten sollten vielmehr den gemeinsamen Interessen des Landes Kärnten und seiner Bewohner dienen.

Der slowenische Kulturverein in St. Jakob will nach eigenen Angaben (s.o.) das Abstimmungsjubiläum gar nicht feiern. Die Veranstaltung findet vielmehr statt, weil sie vom Land Kärnten gefördert worden ist. Das ist kein Einzelfall.         

1 Novice, 19.6.2020, S. 17.

2 https://kaernten.orf.at/stories/3055148/, 26.6.2020.

3 Hans Steinacher, In Kärntens Freiheitskampf, Klagenfurt 1976, S. 144 ff.

4 Sein Lebenswerk war die Errichtung der Narodna šola (Nationalschule) in St. Peter im Jahre 1908. Quelle: Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten, Wien 2016, S. 1112.

5 Siehe: plattform-politische-bildung.at > vielfalt-in-kaernten. Abruf: 28.6.2020.