Droht Kärnten im Jahre 2020 ein neuer Volksgruppenkonflikt?

Bürgerinitiative „SKUP“ gegründet.

 

11.7.2019 Memorandum 2020 – Eine „Initiative“ mit der Bezeichnung „Slowenischer Konsens für Verfassungsrechte (SKUP)“ präsentiert in Klagenfurt das Memorandum 2020. Sie sammelt in „zweisprachigen Gemeinden“ Unterstützung für einen Forderungskatalog. Der Initiative gehören u.a.an: Rudi Vouk, Sonja Kert-Wakounig, Andrej Mohar, Lena Kolter… Man will auf die Nichterfüllung der Verpflichtungen durch Kärnten und Österreich aufmerksam machen.

 

Im Jahre 2020 ist somit mit einem neuen Volksgruppenkonflikt in Kärnten zu rechnen.

 

Laut Rudi Vouk wolle man sich dem Verschwinden der slowenischen Volksgruppe widersetzen. Gefordert werde daher ein flächendeckender zweisprachiger Unterricht vom Kindergarten bis zum Ende der Schulpflicht im zweisprachigen Gebiet. Im Geltungsbereich des Minderheitenschulwesens sollten alle Kinder Deutsch und Slowenisch lernen, wer das nicht will, müsste sich davon abmelden, so Kert-Wakounig. Da die zweisprachige Schulkarriere meistens nach der Volksschule endet, bedeute dies eine Vergeudung der eingesetzten Mittel.

 

Die finanzielle Förderung durch den Bund von 1,2 Millionen Euro müsste sofort verdoppelt werden, forderte Lena Kolter.

 

Im Memorandum 2020 wird behauptet, dass ein „steter Druck“ auf die Vertreter der Kärntner Slowenen dazu führe, dass sie nachgiebig und „ängstlich“ agieren. Die Mehrheit der Kinder komme ohne Slowenischkenntnisse in die Schule, wird geklagt.

 

Der Verfassungsgerichtshof habe im Jahre 2000 entschieden, dass Slowenisch als Amtssprache dort zuzulassen ist, wo 10% slowenische Bevölkerung leben. Die öffentliche Kommunikation sollte in beiden Sprachen erfolgen. Hinsichtlich der zweisprachigen Aufschriften werden sofort minimale Verbesserungen gefordert. In Katastralgemeinden mit mindestens einem Ort mit zweisprachigen Aufschriften sollen auch alle übrigen topographischen Bezeichnungen, wie Bezeichnungen von Bergen, Seen, Flüssen und Bächen usw. zweisprachig sein; schrittweise gilt dies auch für Straßenbezeichnungen. Die schwache Stellung der Kärntner Slowenen sei auch dadurch begründet, dass ihnen der Staat nicht jene Mittel zur Verfügung stellt, die sie zur Aufrechterhaltung einer notwendigen Organisation benötigen. Die Rede ist auch von einer „möglichst umfangreichen Selbstverwaltung und Autonomie“.1

 

Die Initiative wolle die drei Zentralorganisationen „aufwecken“ bzw. sie will ihren endgültigen Rücktritt oder ihre Auflösung erreichen, betonte der Sekretär des Partisanenverbandes Andrej Mohar.

 

Die Initiative wird auch unterstützt von: Matevž Grilc, Felix Wieser, Marjan Pipp, Alexander Petritz, Benjamin Wakounig, Štefan Domej und Gabriel Hribar.2

 

Robert Klinglmaier, Bildungsdirektor, vertritt ebenfalls die Ansicht, dass alle, die in der Volksschule zweisprachig unterrichtet werden, diesen Unterricht auch in der Neuen Mittelschule und in anderen Schulen fortsetzen könnten. Diesen Volksschulen werde er vorschlagen, die Gebäude mit zweisprachigen Aufschriften zu versehen.3

 

Von der Pressekonferenz vom 11.7.2019 berichtete Boris Janušovec in der slowenischen Tageszeitung Večer: Demnach habe sich nach dem Ortstafelkonsens die Lage nicht verbessert. Die Minderheit wurde trotz des angeblichen Wohlwollens des LH Kaiser betrogen. Eine gemeinsame 100-Jahrfeier könne es nicht geben, so lange nicht alle verbürgten Rechte er-füllt werden, so Andrej Mohar bei der Pressekonferenz.4

 

Die slowenische Botschafterin Ksenija Škrilec nahm persönlich an der Vorstellung der Initiative SKUP in Wien (Teilnehmer: Lena Kolter, Sonja Kert-Wakounig, Matjan Pipp, Rudi Vouk) beim Klub slowenischer Studenten und Studentinnen teil. Slowenien dürfte also die Initiative unterstützen.5
Bemerkenswert ist, dass die Initiative SKUP auch von ehemaligen Mitarbeitern und Informanten des slowenischen Geheimdienstes Udba besonders unterstützt wird.6

 

Die Initiative SKUP sandte ihr Memorandum an die Bundesparteien. Antworten kamen von den Grünen und den Kommunisten: Die Grünen unterstützen die Forderungen größtenteils. Die Kommunisten unterstützen sie „absolut“. Bei dieser Gelegenheit lehnten die Kommunisten die Volksabstimmungsfeiern grundsätzlich ab.7 Die Initiative erwartet offensichtlich von den Verantwortlichen im Lande, insbesondere vom Landeshauptmann Peter Kaiser, im Einvernehmen mit Slowenien weiterhin eine wohlwollende Behandlung. „Einen derart der Minderheit wohlgesinnten Landeshauptmann, wie es der derzeitige Peter Kaiser ist, wird es nie mehr geben“, urteilt Valentin Inzko.8 Inzko fordert am Beispiel der Erweiterung des Geltungsbereiches der zweisprachigen Gerichtsbarkeit eine Akkordierung mit dem Verband slowenischer Kärntner Juristen (Obmann: Rudi Vouk).9

 

Anmerkung: Da slowenische Juristen des Verbandes einflussreiche Positionen in der Kärntner Landesverwaltung einnehmen, kann die slowenische Minderheit mit weiteren Zugeständnissen rechnen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Landespolitiker diesen nationalen Forderungskatalog nicht zur Gänze erfüllen können. Eine Konfliktstrategie ist somit vorprogrammiert.

 

Eine „Unruhe“ in der slowenischen Volksgruppe wird in der Kleine Zeitung konstatiert. Zitiert wird FPÖ-Chef Gernot Darmann, der die Forderungen als eine „einzige Provokation“ bezeichnet. Von einer Reaktion anderer Parteien oder des Landes Kärnten berichtete die Kleine Zeitung nicht.10

 

Im Jahre 2005 wurden die „Scharfmacher“ des Rates der Kärntner Slowenen in der Kleinen Zeitung noch kritisiert: Vouk & Co. geht es nur darum, krampfhaft ein Konfliktthema aufrecht zu erhalten. (…) Es ist nicht einzusehen, dass sich das Land noch länger in der Geiselhaft einiger weniger Scharfmacher befindet“, schrieb damals Antonia Gössinger.11

 

Es gibt in diesem Zusammenhang auch kalmierende Stimmen. Laut Bernhard Sadovnik (Gemeinschaft der Kärntner Sloweninnen und Slowenen) sei es der falsche Weg, wenn die Initiative das Interesse verfolgt, wieder einen unnötigen Konflikt in die Volksgruppe zu tragen. Der neue Obmann des ZSO Manuel Jug: „Wir alle sollten doch gemeinsam daran arbeiten, dass jegliche Extremismen keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft haben. Sei es der Rechts- oder der Linksextremismus oder auch der religiöse Extremismus, ich lehne jede Form dessen ab. (…) Ich will mich nicht mit wirren Illusionen auseinandersetzen, wie es andere tun. Hier meine ich zum Beispiel die Notifizierung des österreichischen Staatsvertrages durch die Republik Slowenien oder die Wiedereinführung eines Systems, wo man sich im zweisprachigen Gebiet nicht zum zweisprachigen Unterricht anmelden, sondern von diesem abmelden müsste, wenn ein zweisprachiger Unterricht nicht gewünscht wird. Ich bin der Meinung, dass dies für unnötige Konflikte sorgen würde, die wir schlicht und einfach nicht nötig haben. Wir, die Kärntner Slowenen, sind ein wesentlicher Bestandteil Kärntens“.12 Valentin Inzko (Rat der Kärntner Slowenen) bot der Initiative aber eine Aussprache über alle offenen Themen an.13

 

Die Initiative SKUP protestierte in einem offenen Brief gegen den Vortrag von Josef Feldner und Marjan Sturm im Rahmen des 30. Europäischen Volksgruppenkongresses zum Thema „Kärntner Konsensgruppe. Eine Erfolgsgeschichte“. Die unterzeichneten Mitglieder der Initiative sind nämlich der Ansicht, dass die Konsensgruppe keine Erfolgsgeschichte sei, sondern die Mitverantwortung trage, dass die Rechte der slowenischen Volksgruppe gekürzt worden seien. Unterzeichnet wurde der Brief von: Matevž Grilc, Sonja Kert-Wakounig, Rudi Vouk, Marjan Pipp, Feliks Wieser, Helga Mračnikar, Mirko Messner, Milan Wutte, Andrej Mohar und Lena Kolter.14

 

Laut Kleine Zeitung kommentiert Marjan Sturm den offenen Brief damit, dass es einer Gruppe von Kärntner Slowenen offensichtlich darum gehe, „in Slowenien und unter Kärntner Slowenen die Stimmung aufzuheizen“. Sturm vergleicht: Feldner habe aufgehört zu hetzen, „jetzt beginnen einige Kärntner Slowenen mit der Hetzerei“.15 In einem offenen Brief, adressiert an Marjan Sturm, teilten die SKUP-Mitglieder Milan Wutte und Andrej Mohar mit, dass ein Dialog mit Sturm und mit seinem Nachfolger Jug nicht (mehr) möglich sei.16 Auch Rudi Vouk kritisiert Marjan Sturm. Sturm sei ein Befürworter der Multi-Kulti-Thesen und erblicke im Bekenntnis zur Volksgemeinschaft (narodna skupnost) bereits ein nationalistisches Problem. Laut Vouk müsse man anlässlich des 100- Jahrestages der Kärntner Volksabstimmung ernstlich mit der Realisierung des Artikels 7 beginnen (sic!)“. 17
Es bleibe den Kärntner Slowenen nur noch der „Aktivismus“ übrig, stellte Vouk bei der Veranstaltung der Initiative Minderheiten, die sich am 18.10.2019 mit aktivistischen, selbstorganisierten und kollektiven Praktiken im Kontext von Minderheitenrechten beschäftigte, fest. Vouk sprach dabei über die Aktionen der Kärntner Slowenen. 18
Laut Cornelia Kogoj wurde seit den 1970er Jahren die Inanspruchnahme des öffentlichen Raumes durch aktionistische Mittel bedeutend. Die deutschsprachige Mehrheit war einen derartigen selbstbewussten Auftritt der Sloweninnen und Slowenen im öffentlichen Raum nicht gewohnt. Die Antwort der Deutschnationalen auf die Aufstellung zweisprachiger Aufschriften im Herbst 1972 „waren Ausschreitungen, Demontagen der Beschilderungen, Bombendrohungen und Schändungen von Partisanendenkmälern“, meint Cornelia Kogoj (wahrheitswidrig).19

 

Auch Franc Jožef Smrtnik, Bürgermeister der Marktgemeinde Eisenkappel-Vellach, unterstützt die Initiative SKUP: „Die Erfüllung von Rechten zu fordern, ist keine Hetzerei. Wir sind ruhig geworden und das macht mir Sorgen“. Die Slowenen seien „lammfromm“ geworden.20
In den letzten Jahren habe es fast keine Konfrontationen, keine Demonstrationen und andere Aktionen gegeben. Das fehle ihm, so Bürgermeister Smrtnik.21

 

Droht im Jahre 2020 in Kärnten ein Neustart des Volkstumskampfes?

 

1 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/meldungen/stories/3004138/, 11.7.2019
2 Novice, 19.7.2019, S. 2.
3 Nedelja, 13.10.2019, S. 7.
4 Večer, 12.7.2019, S. 2, 6.
5 Novice, 15.11.2019, S. 4.
6 Details: Titos langer Schatten, 2015.
7 https://volksgruppen.orf.at/slovenci(stories/3014355/, 25.9.2019.
8 http://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/2898511/, 2.3.2018.
9 Kleine Zeitung, 18.10.2019, S. 22.
10 Kleine Zeitung, 12.7.2019, S. 24.
11 Kleine Zeitung, 25.3.2005, S. 13.
12 Laibacher Zeitung, 26.8.2019, S. 5.
13 Novice, 26.7.2019, S. 2.
14 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3020173/, 4.11.2019; https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3020450/, 6.11.2019.
15 Kleine Zeitung, 7.11.2019, S. 22.
16 http://skup.at/porocila, Abruf: 15.11.2019.
17 https://www.facebook.com/notes/nsks-narodni-svet-koro%C5%A1kih-slovencevrat-d…, 18.11.2019
18 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/meldungen/stories/3017651/ und 3017808/, 18.10.2019.
19 https://initiative.minderheiten.at/wordpress/index.php/2019/06/was-wir-fordern-2-min, Abruf: 18.10.2019.
20 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3021149/, 11.11.2019.
21 Kärnten liegt am Meer, Klagenfurt, 2012, S. 379.