Europeada 2020 und ihre dunklen Seiten.
Eine kritische Betrachtung.
29.4.2019 Europeada 2020 – Das Organisationskomitee stellt eine neue Homepage vor. Sie wurde in Kooperation mit der Föderalistischen Union europäischer Nationalitäten (FUEN, vormals: FUEV) erstellt.Kontaktadresse: EUROPEADA- Fußball-EM der Volksgruppen/Europsko nogometno prvenstvo narodnih skupnosti (Übersetzung: Fußball-EM der Volksgemeinschaften), Siebenhügelstraße 107, 9020 Celovec/Klagenfurt.1
Die Europeada, eine Fußballeuropameisterschaft der „autochthonen, nationalen Minderheiten“ wird von der FUEN organisiert.
Der bekannte deutsche Politikwissenschaftler Samuel Salzborn setzte sich mit der FUEV (nunmehr: FUEN) in seiner Dissertation (Doktorvater: Univ. Prof. Anton Pelinka) äußerst kritisch auseinander. Demnach sei bei den Lageberichten der FUEV auffällig, dass sich Positionen, die auf völkische Mythologien der Zwischenkriegszeit zurückgehen, auf fast jeder Seite des FUEV-Handbuches finden. Die Distanz zum Nationalsozialismus werde zwar formell gewahrt, die inhaltliche Grenze sei jedoch schwer zu ziehen. Laut Salzborn wurde in der Neufassung der Hauptgrundsätze (Artikel 4) für die Volksgruppengebiete von der FUEV auch eine komplette ethnische Separierung von Menschen gefordert: „Die Gruppen haben ein unabdingbares Recht darauf, dass ihr Heimatgebiet, das Gebiet, in dem sie von den Vorfahren her bodenständig sind, geschützt und ihnen erhalten bleibt. Ihr Heimatgebiet darf weder verfremdet noch verwaltungstechnisch zersplittert werden oder durch Unter-wanderung seinen ethnischen bzw. sprachlichen Charakter verlieren“. Migration, insbesondere in Form von Zuwanderung wäre dieser Vorschrift nach verboten, so der Politikwissenschaftler. (Anm.: Vergleiche dazu die Polemik betreffend den Begriff „Bevölkerungsaustausch“.2)
Salzborn erinnerte daran, dass die Ziele der Volksgruppentheoretiker in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft zum elementaren Programm des Staates gehörten. Somit begann mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten das bis Ende der 1930er Jahre währende Eldorado der Volksgruppentheorie. Die Volksgruppenidee („Europa der Volksgruppen“) stelle wieder „eine immense Bedrohung der europäischen Nachkriegsordnung dar“. Die Bestrebungen der rechtlichen und politischen Uminterpretation des liberal-demokrati-schen Minderheitenrechts in ein völkisch-kollektives Volksgruppenrecht während der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus sei eine nicht unerhebliche Ursache für den Zweiten Weltkrieg gewesen, gibt Salzborn zu bedenken.3
Auf europäischer Ebene wird der Terminus „Volksgruppe“ grundsätzlich gemieden und durch „Minderheiten“ ersetzt. Die ehemalige FUEV, nunmehr FUEN, hat das Wort „Volksgruppen“ aus ihrem Titel enfernt. Laut FUEN ist die Europeada 2020 also eine Fußballeuropameisterschaft „der autochthonen Minderheiten“.4
Bei uns in Kärnten ist die „Volksgruppe“ jedoch weiterhin fest verankert und der Terminus „Minderheiten“ wird auch im Zusammenhang mit der Europeada 2020 oft durch „Volksgruppen“ ersetzt.5
Im Slowenischen heißt es sogar „narodna skupnost“, das ist die wörtliche Übersetzung von „Volksgemein-schaft“. Die Volksgemeinschaft, der Begriff erscheint im Deutschen belasteter als im Slowenischen, wird aber in der wissenschaftlichen Literatur als Zentralbegriff des nationalsozialistischen Denkens definiert.6
Die Gefahr besteht darin, dass mit dem Volksgruppen-Nationalismus auch der Nationalismus von Mehrheiten geweckt wird: „Spiegelbildlich zur ethnischen Identität der nationalen Minderheiten wird sich auch die Mehrheit nach bestimmten kulturellen, sprachlichen oder religiösen Kriterien orientieren“, befürchten Fachexperten.7
Anmerkung: Die Europeada 2020 stellt ein ethnisch-nationales Kontrastprogramm zur demokratischen, regionalen Kärntner Volksabstimmung dar. Es ist dies eine Mixtur aus Sport und völkisch-nationaler Tradition, siehe Deutscher Turnverein oder die slawische SokolBewegung, und dürfte daher für ein gemeinsames, demokratisches Kärnten nicht sinnstiftend sein.
Im Interesse einer europäischen Integration sollte eher der Nationalismus des Mehrheitsvolkes geschwächt und nicht der Nationalismus von „Volksgruppen“ gestärkt werden.
„Es liegt an den Kärntner Slowenen selber, die längst nicht mehr die bedauernswerten Hinterwälder von ehemals sind, aus ihrem vergangenheitsorientierten zu sehr außengesteuerten, passiven und ethnisch-völkischen nationalen Bewusstsein herauszufinden. (…) In einem vielgestaltigen, entgrenzten Europa können nationale Mehr- oder Minderheiten, Gast- oder Muttervölker und letztlich auch Volksgruppen keine maßgebenden politischen Kategorien mehr sein“, davon war der minderheitenfreundliche Klagenfurter Hochschul-lehrer Andreas Moritsch bereits im Jahre 1996 überzeugt.8
Im Gegensatz dazu ist heute die ethnisch-nationale Zugehörigkeit der Fußballspieler ein Kriterium für die Teilnahme an der Europeada 2020. Die Kärntner Mannschaft soll ausschließlich aus Angehörigen der slowenischen Minderheit bzw. Volksgruppe bestehen. Demnach wäre es „spiegelbildlich“ auch aus deutschnationaler Sicht denkbar, eine Kärntner Mannschaft oder aber die österreichische Nationalmannschaft ausschließlich aus deutschen bzw. deutschsprachigen Spielern ins Spiel zu bringen.
Im (slowenischen) Kärntner Sport spielt(e) die Politik seit jeher eine bedeutende Rolle. Valentin Inzko jun. gab dem SAK (Slowenischer Atletikklub) im Jahre 1970 bewusst die Bezeichnung „slowenisch“ Als Sammelklub der Kärntner Slowenen hatten die Spiele des SAK „ehemals vor allem einen nationalpolitischen Hintergrund“ und waren ein „Ersatzkampf für die Rechte der slowenischen Volksgruppe“.9
Es besteht die konkrete Gefahr, dass mit der Europeada 2020 die nationale Konfrontationsstrategie aus den 1970er Jahren wiederholt wird.
Die Europeada 2020 hat also auch ihre dunkle Seite und müsste einer kritischen politikwissenschaftlichen Prüfung unterzogen werden. Bemerkennstwert ist, dass der Zentralverband slowenischer Organisationen der FUEN nicht angehört.
1 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/2978655/, 29.4.2019; www.europeada.eu/news/detail/die-europeada-am-tourismustag-2019/sl,30.4.2019.
2 Kronen Zeitung, 29.4.2019, S. 2; 30.4.2019, S. 3; Kleine Zeitung, 2.5.2019, S. 3. Bundespräsident Van der Bellen: „Der letzte groß angelegte Feldversuch, homogene Bevölkerung herzustellen, war die deutsche Volksgemeinschaft der Nazis“.Quelle: Kronen Zeitung, 9.5.2019, S. 2.
3 Samuel Salzborn, Ethnisierung der Politik, 2005, S. 16, 73, 226, 254.
4 https://www.fuen.org/de/news/einzelansicht/article/we-have-the-official-dates-for-eur…, Abruf: 2.5.2019.
5 Kleine Zeitung, 23.1.2019, S. 56; Kontaktadresse, s.o. Vgl. auch Bundespräsident Van der Bellen: „Es stört mich, wenn von Kärntner Slowenen die Rede ist, ich sage lieber slowenischsprachige Kärntner“. Quelle: Nedelja, 5.5.2019, S. 5
6 Hans-Henning Scharsach, Stille Machtergreifung, Wien, 2017, S. 104.
7 Sabine Riedel, Instrumentarium des Minderheitenschutzes in Europa, in: Minderheitenkonflikte in Europa, Samuel Salzborn (Hrsg.), Innsbruck, 2006, S. 257.
8 Andreas Moritsch, Modernisierung und nationale Differenzierung bis 1848, in: Austria Slovenica, 1996, S. 23,26,57.
9 Novice, 17.5.2019, S. 15.