Öffnungsklausel ist ein Phantom
Keine Friedensregion in Sicht
Info Nr. 44
10.6.2021 Feistritz im Rosental – Streit um zweisprachige Ortshinweisschilder. In der Gemeinde gehen die Wogen hoch, weil die Ortschaften Suetschach und Matschach zweisprachige Hinweisschilder bekommen sollen, berichtet die Kleine Zeitung.
Bürgermeisterin Sonya Feinig (SPÖ) sei entsetzt darüber, dass aufgrund des diesbezüglichen Antrages der Gemeinderätin Tatjana Feinig (Volilna Skupnost) nun die Wogen in der Gemeinde hochgehen. „Zweisprachige Tafeln tun doch niemandem weh. (…) Eine Sprache ist eine Bereicherung und keine Bedrohung“, so die Bürgermeisterin. Mit dem Argument „Mehrheiten können nicht über Minderheiten abstimmen“, lehnte die Bürgermeisterin den Antrag der Feistritzer FPÖ (Monika Pernjak) ab, vorab eine Gemeindevolksbefragung durchzuführen.1
In Suetschach wohne übrigens Valentin Inzko, Obmann des Rates der Kärntner Slowenen und Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina. In Matschach sei Tomi Partl (Europäischer Fußballverband) daheim.2
Anders sieht das die Gemeinderätin Monika Pernjak (FPÖ): „In Matschach sind laut Unterschriftenlisten zwei Drittel der Bürger gegen zweisprachige Tafeln. Man darf nicht einfach über den Kopf der Bevölkerung hinweg entscheiden“.3
Auch ÖVP-Obmann Martin Gruber appellierte an alle, in dieser Frage nicht zu zündeln. Der breite Konsens in Sachen Ortstafeln dürfe nicht leichtfertig in Frage gestellt werden.4 Die ÖVP unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat der slowenischen Minderheit 141 zweisprachige Ortstafeln, ohne die Öffnungsklausel, angeboten. Die slowenischen Organisationen verlangten aber mindestens 163 Ortstafeln. In Bleiburg teilte im Jahre 2007 die ÖVP ihren Mitgliedern schriftlich dezidiert mit, dass die Partei mit den zweisprachigen Aufschriften für Bleiburg und Ebersdorf nicht einverstanden sei.5
Die Kleine Zeitung (Andrea Bergmann) gewährte der Antragstellerin Tatjana Feinig Schützenhilfe: „Ja, es gibt sie nach wie vor, die Gruppierungen, die auf dem Weg der Gemeinsamkeit nicht mitkönnen oder mitwollen oder Sprache bewusst verpolitisieren. Eine stark gewachsene breite Mitte hingegen hat längst erkannt, dass Zweisprachigkeit Mehrwert bedeutet und kein Grund für Ängste ist. Wem fallen zweisprachige Tafeln noch auf? Sie gehören ganz normal zum Alltag“.6
Die Republik erfülle ihre Verpflichtungen gegenüber der slowenischen Volksgemeinschaft nicht und wälze ihre Verantwortung auf die schwächsten Glieder, auf die Gemeinden und sogar auf einzelne Ortschaften, ab. Die Bürgermeister und die Gemeinderäte müssen den Mut fassen, um gegen die Widerstände und Gegnerschaften zu kämpfen, urteilte Rudi Vouk im Namen der Initiative SKUP unter dem Titel „Die Öffnungsklausel ist ein Phantom“.7
1. Die Öffnungsklausel durch die Hintertür. Ein semantischer Trick?
Im bekannten Memorandum vom 26.4.2011 heißt es: „Im Hinblick auf die Gemeindeautonomie wird festgehalten, dass es wie bisher auch weiterhin rechtlich zulässig ist, bei entsprechender Beschlusslage im Gemeinderat weitere zweisprachige Ortsbezeichnungstafeln sowie Bezeichnungen oder Aufschriften topografischer Natur aufzustellen. (…) Es wird festgehalten, dass keine sogenannte Öffnungsklausel vorgesehen ist“.8
Dennoch wird der Öffentlichkeit die Existenz einer Öffnungsklausel suggeriert: „Es war ein wichtiger Türöffner für die Zukunft, als beim Ortstafelkompromiss 2011 die Öffnungsklausel beschlossen wurde“, wird in der Kleinen Zeitung von Andrea Bergmann berichtet.9 „Die Lösung der Ortstafelfrage inklusive der Öffnungsklausel war ein Kompromiss und dennoch ein historischer Schritt“, erklärte LH Peter Kaiser am 10.Oktober 2020 bei der Landesfeier im Landhaus in Klagenfurt.10
Wie im Memorandum angeregt, wurde am 7.7.2011 vom Nationalrat das novellierte Volksgruppengesetz ohne die Öffnungsklausel angenommen. Auch die 164 vorgeschlagenen zweisprachigen Ortschaften (Gebietsteile) wurden „taxativ“ (also vollständig) aufgezählt. In dieser taxativen Aufzählung sind auch für „Ortsbezeichnungstafeln“, für deren Aufstellung die jeweiligen Bürgermeister zuständig sind, enthalten.
Für Minderheitenfragen ist der Bund zuständig. In dieser Bundes-Verfassungsbestimmung ist eine Öffnungsklausel also nicht vorgesehen. Damit wurde vom Bund der Wunsch von vielen Politikern (s.u.) und der friedliebenden deutsch- und slowenischsprachigen Bevölkerung erfüllt und die belastende Ortstafeldiskussion beendet.
Einige Bürgermeister in Kärnten nützen hingegen, ungeachtet der verfassungsmäßigen Bundesregelung, die Gemeindeautonomie zur Fortsetzung des völkisch-nationalen Ortstafelkampfes. Diese fragwürdige Vorgangsweise wird nun von einigen Meinungsmachern fälschlicherweise als „Öffnungsklausel“ propagiert.
Ein Hinweis: Laut dem Volksgruppengesetz gilt die Zweisprachigkeit auch für Wegweiser, wenn der Wegweiser aus einer zweisprachig zu beschildernden Ortschaft in eine andere, ebenfalls zweisprachig zu beschildernde Ortschaft, verweist.11 In Kärnten wurden Wegweiser im Widerspruch zur Verfassungsbestimmung auch außerhalb des „Bereiches“ zweisprachiger Ortschaften (Gebietsteile) angebracht.
Rückblickend ist festzustellen, dass alle Parteien mehr oder weniger gegen eine Öffnungsklausel aufgetreten sind. Die Kärntner Parteien hätten sich von der Öffnungsklausel faktisch schon verabschiedet, schrieb Andrea Bergmann im Jahre 2007.12
Eine SPÖ-Umfrage zeigte: Die Bevölkerung will keine Öffnungsklausel, aber eine endgültige Lösung. Die damalige SP-Chefin Gaby Schaunig sprach sich daher für 141 zweisprachige Ortstafeln aus: „Es können ein paar mehr oder weniger sein. Aber es darf keine Öffnungsklausel und keine weiteren Diskussionen geben“.13 Auch Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zeigte in der Fragestunde des Nationalrats „Skepsis gegenüber der Öffnungsklausel“. Diese würde es nämlich ermöglichen, auf Antrag weitere zweisprachige Schilder aufzustellen, was Gusenbauer offensichtlich ablehnte.14 LH Jörg Haider: „Wenn die Slowenen die Öffnungsklausel drinnen haben wollen, die Schüssel zugesagt hat, wird es kein Ergebnis geben. (…) Die Volksgruppe sollte eine lupenreine Zählung akzeptieren und dafür erfüllen wir ihr den Wunsch einer Volksgruppenkammer“.15 ÖVP- Klubchef Raimund Grilc: Eine Volksgruppen-Erfassung sei nicht zwingend notwendig, wenn es eine politische Ortstafellösung gibt, in der etwa 141 Namen festgeschrieben würden. Im Gegenzug könnte es zu einer von der Volksgruppe geforderten und auch von Haider angesprochenen Volksgruppen-Kammer kommen. Jeder, der dieses Slowenen-Parlament wählen will, müsste sich in die Wählerverzeichnisse der Gemeinden eintragen. Damit wäre die Volksgruppenstärke auch eruierbar, so Grilc, der einer Öffnungsklausel ebenfalls ablehnend gegenüber steht. Die Volksgruppe könnte trotz Wegfall der Öffnungsklausel zustimmen, weil die Volksgruppen-Kammer umgesetzt würde, glaubte Grilc.16 Bei der Öffnungsklausel handelt es sich um die von Slowenenverbänden geforderte Möglichkeit, auch nach einer Einigung über die Zahl zweisprachiger Ortstafeln unter bestimmten Umständen weitere Ortsschilder fordern zu können. „Das versteht die Bevölkerung nicht und wir sind dagegen“, erklärte Grilc.17
Die Öffnungsklausel wurde hingegen von allen drei slowenischen Organisationen verlangt.18 Dazu der einflussreiche Slowenenvertreter Rudi Vouk: „Wenn wir die Verfassungserkenntnis umsetzen und in 300 (sic!) Ortschaften Tafeln aufstellen, brauchen wir die Öffnungsklausel nicht. Wird die Erkenntnis aber nicht umgesetzt, sind wir nicht bereit, bei der Öffnungsklausel nachzugeben“.19 Auch für Kommentatoren in Slowenien war die Öffnungsklausel, die zusätzliche zweisprachige Ortstafeln in weiterer Zukunft ermöglichen soll, unverzichtbar.20
Die drei Klubs der slowenischen Studentinnen und Studenten (Wien, Graz, Klagenfurt) forderten eine konsequente Zweisprachigkeit im gesamten zweisprachigen Gebiet nach dem Territorialprinzip und begannen mit Protesten gegen den „Konsens“. Die diesbezügliche Protesterklärung wurde auch von der KPÖ (Mirko Messner, Ernest Kaltenegger) unterzeichnet. Verhandlungen mit der Karner-Gruppe wurden abgelehnt.21
Laut Daniel Wutti und Simon Inzko lehnt die Jugend den Konsens und insbesondere die Gespräche mit dem KHD ab. Wutti bedauerte, dass nun sogar der Rat der Kärntner Slowenen mit einer Art Konsens einverstanden sei. Demonstrationen beweisen, dass sich die Jugend für Politik interessiere und es ihr nicht gleichgültig sei, was passiert. Die Jugend sei dagegen, dass einige slowenische Politiker offiziell mit Feldner und dem KHD reden. Die Optik sei eine Katastrophe. Es sei die Frage legitim, wen die slowenischen Zentralorganisationen vertreten. Einige nur sich selbst, so Wutti. Die Frage nach der Zahl der Ortschaften beantwortete Wutti wie folgt: „So viele, dass Kärnten als ein Land zweier Völker (sic!) kenntlich gemacht wird“. Auch Simon Inzko lehnte persönlich Gespräche mit dem KHD ab. Die „nationalen Führer“ (narodni voditelji) seien zu lau. Inzko: „ Ich fürchte, dass unsere Politiker mit einem ewig einzementierten Kompromiss einverstanden sein werden, der uns schaden wird. Die Jugend ist damit nicht einverstanden, darüber entscheiden aber Altpolitiker. (…) Mein Großvater Foltej (Valentin) Inzko lebt zwar nicht mehr, er wäre aber sicher auch sehr stolz auf seine Enkel“.22
Die Jugendlichen und die Kommunisten setzten sich für eine konsequente Erfüllung des Artikels 7 des Staatsvertrages 1955 ein. Damit folgten die Jugendlichen und die Kommunisten den Traditionen der 1970er Jahre, als gerade auf der Basis des Engagements der Studenten im Kreis des Kladivo eine sehr breite Solidaritätsbewegung für die Rechte der Kärntner Slowenen entstanden sei, urteilte der erfahrene Volksgruppenpolitiker Marjan Sturm.23 Der Hinweis auf die 1970er Jahre, als Kärnten am Rande eines Bürgerkrieges stand, wirkt bedrohlich und könnte die Konsensgruppe gezwungen haben über Alternativen zur Öffnungsklausel nachzudenken. Die Öffnungsklausel sollte einen neuen Namen bekommen und „demokratisches Antragsrecht“ heißen. Wie bei der „Öffnungsklausel“ vorgesehen, sollte die Entscheidung über einen solchen Antrag bei der Bundesregierung und „nicht bei der Gemeinde oder beim Land“ liegen.24 Am Ende kam es aber doch zu einer rechtlich fragwürdigen „Öffnungsklausel“ auf Gemeindeebene, womit der Ortstafelkampf zu einer unendlichen Geschichte wird und aus einer „Öffnungsklausel“ eine „Kampfklausel“ geworden ist.
Die Gegner der zweisprachigen Ortstafeln müssen keine Deutschnationalen sein. Es gibt eben auch in Feistritz Österreicher mit historischen Ängsten, die von Rudolf Maister, den kommunistischen Tito-Partisanen und in den 1970er Jahren von Terroristen dies- und jenseits der Grenze verursacht worden sind. Zwei prominente Beispiele für vergleichbare Ängste: Unser Bundespräsident Van der Bellen hat die russische Erstsprache seiner Eltern nie erlernt. Die Familie musste drei Mal vor den russischen Kommunisten flüchten. Von seinen Eltern wurde ihm daher eingeschärft, auf dem Weg zur Schule einen Umweg um das russische Konsulat zu machen.25 Der russischsprachige, ehemalige polnische Präsident Lech Walesa, der nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, dass das Sowjet-Imperium zerbrochen ist, weigert sich Russisch zu reden.26 Ähnlich reagier(t)en oft slowenischsprachige Kärntner im Hinblick auf die belastenden historischen Erfahrungen mit dem slowenischen Nationalismus.
2. Der Antrag…
Der Antrag der Volilna skupnost (Wahlgemeinschaft) vom 19.5.2021 wird wie folgt begründet:
2.1 Es wäre 100 Jahre nach der Volksabstimmung 1920, bei der die Mehrheit der slowenischsprachigen Bevölkerung für den Verbleib bei Österreich gestimmt hat, eine Geste der Wertschätzung gegenüber der slowenisch sprechenden Bevölkerung in der Gemeinde.
2.2 Die slowenische Sprache sei ein selbstverständlicher und gelebter Bestandteil der Gemeinde.
2.3 Ein einstimmiger Beschluss wäre im Hinblick auf den Ortstafelsturm ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber dem Slowenischen und ein
2.4 Bekenntnis zu Offenheit und Gemeinsamkeit im europäischen Geist.
Der Antrag wurde eingebracht von: Dr. Tatjana Feinig (Gemeindevorständin), Taja Kristof (Gemeinderätin) und Peter Mischitz (Gemeinderat).
Die Begründung ist insbesondere aus folgenden Gründen faktenwidrig:
Zu 2.1 Die Mehrheit der „slowenischsprachigen“ Bevölkerung in der Zone A stimmte nicht für den Verbleib bei Österreich, sondern mit rund 60 % für den Anschluss an Jugoslawien. Jene Slowenischsprachigen (also rund 40 %), die für Österreich gestimmt haben, wurden von den Slowenen als Volksverräter behandelt. Sie werden in der slowenischen Wikipedia zutreffend wie folgt beschrieben: „Die Kärntner slowenische Seite hat das Resultat der Volksabstimmung offensichtlich schockiert und sie konnte sich lange nicht damit abfinden. Innerhalb der slowenischen Volksgemeinschaft begann man mit gegenseitigen Vorwürfen, Streitereien und Ausgrenzungen. Jene „Slowenen“, die aus eigenem Ermessen für Österreich gestimmt haben, wurden zunehmend als Volksverräter behandelt und sie wurden für die Niederlage verantwortlich gemacht. Damit hat man sie ungewollt und unberechtigt in das sogenannte windische Lager getrieben“. Nach Ansicht des renommierten Historikers Andreas Moritsch bedurfte es daher „eines fundierten semantischen Tricks“, die Slowenen glauben zu machen, dass die Landeseinheit eigentlich ihnen zu verdanken sei.27 Dieser Legende bzw. dieses Tricks bedient sich noch immer die slowenische Wahlgemeinschaft in Feistritz, obwohl auch der bekannte Kärntner Historiker Teodor Domej verständlich erklärte, dass es (nur) ganz wenige Beispiele dafür gibt, dass bewusste Slowenen gegen die Teilung des Landes Kärnten aufgetreten wären.28
Hinsichtlich der slowenischen Wahlgemeinschaft (volilna skupnost) ist auch erwähnenswert, dass im Jahre 1911 die Slowenische Partei einen Stimmenanteil von 41 % erreichte und dieses Ergebnis bei der Volksabstimmung 1920 annähernd dem Stimmenanteil für Jugoslawien entsprach.
Auch Valentin Inzko (Suetschach) pflegt sich auf jene „Kärntner Slowenen“ zu berufen, die 1920 seiner Ansicht nach den Ausschlag für die Einheit Kärntens gegeben haben.29 Dieser Hinweis steht zu seiner Familienbiografie im Widerspruch. Die Vorfahren mütterlicherseits waren Jugoslawen und somit Anhänger der slowenischen Kämpfer um die Nordgrenze. Sein Kärntner Großvater agitierte im Jahre 1920 als „jugoslawischer Wachtmeister“. Seine Kärntner Großmutter („eine brühmte Agitatorin für Jugoslawien“) begrüßte als Vertreterin der Kärntner Slowenen den General Maister, als dieser in Kärnten weilte. Bei der Volksabstimmung 1920 entschied sich Inzkos Großmutter „nach dem Herzen aus Liebe zur slowenischen Sprache“ für Jugoslawien.30
In der Zeit vor der Volksabstimmung 1920 wurden von einheimischen Slowenen bzw. vom örtlichen Volksrat bei der slowenisch-jugoslawischen Obrigkeit jene Personen zur Anzeige gebracht, die für Österreich agitierten: Marjeta Klimbacher, Neža Poschinger, Nikolaj Johansen, Eugen Pfefer, Terezija Piskernik, Katarina Truppe, Maria Del Fabro, Ana Feinig, Apolonija Feinik, Lorenc Feinik u.a. Die Trafiken seien in den Händen von „Deutschtümlern“, die Trafik in Feistritz müsste dem Dominik Krajger weggenommen und einem nationalbewussten Patrioten vergeben werden. Auch in Suetschach werde die Trafik von Johann Kropiunig betrieben, der ebenfalls deutsch (also österreichbewusst) eingestellt ist. Die einheimischen Slowenen schlagen daher den tüchtigen Slowenen Janez W. als Nachfolger vor. Die Gastgewerbekonzession werde man Janez Feinig, vlg. Buti in Suetschach, wegnehmen müssen. Feinig kämpfte aktiv gegen das jugoslawische Heer. Auch der Gastwirt vlg. Žavnik habe nicht den besten Ruf. Diese Gasthäuser müsste man unter eine strenge Kontrolle stellen. Die Zwangsverwaltung für den deutschen Besitz des Barons Helldorf und des Grafen Witgenstein sei erledigt. Bei anderen Personen, die ebenfalls geflüchtet sind, sei dies noch nicht passiert. So bei Oberlehrer Janez Feinig, Besitzer Nr. 29 in Suetschach, bei Ivan Feinig, Besitzer Nr. 33 in Suetschach und beim ehemaligen Wachtmeister Tschernitz, Hausbesitzer in Feistritz. Der Feistritzer Volksrat fragte die einheimischen Burschen, wer von ihnen bereit sei, zur Zeit der Volksabstimmung den Dienst eines Gendarmen auszuüben. Die Namen der „in nationaler Hinsicht verlässlichen Burschen“ (Filp Partl, vlg. Kosem…) wurden an General Maister direkt gemeldet. Die deutschen Angestellten in der Fabrik müssen durch slowenische ersetzt werden,31 so die einheimischen Slowenen der Gemeinde Feistritz im Rosental.
Die Volksabstimmung 1920 wird heute aus slowenischer Sicht generell als „verloren“ bezeichnet und diesbezügliche Feiern werden seit jeher abgelehnt. So wie die Kärntner ihre siegreiche Abstimmung nicht vergessen können, denken nationalbewusste Slowenen dies- und jenseits der Karawanken mit Bitternis an die verlorene Volksabstimmung 1920. Nationalbewusste Kärntner Slowenen würdigen nicht die Kärntner Abwehrkämpfer, sondern gelegentlich die slowenischen Kämpfer um die Nordgrenze. Der führende Kärntner Slowene R.V. wurde für seine Verdienste sogar mit einem Rudolf Maister-Orden ausgezeichnet. Beispielsweise nahmen an einer der Maister-Feiern Vertreter des Kärntner Partisanenverbandes am 8.10.2020 in Ravne na Koroškem in Slowenien teil und betonten, dass die slowenische Volksgemeinschaft in Kärnten am 10. Oktober nichts zu feiern habe. Tatjana Feinig ist Funktionärin des Partisanenverbandes.32 General Rudolf Maister, der Gewalttäter und Besetzer Kärntens, wird aus slowenischer Sicht weiterhin als Vorbild für die slowenische Jugend gepriesen. In einer Publikation der Pädagogischen Hochschule Kärnten (Carinthija 2020-Projekt, Herausgeber: Daniel Wutti, Nadja Danglmaier, Eva Hartmann) wird als Beispiel guter Praxis auch das Absingen von Rudolf Maister-Liedern vorgestellt.33
Bei der Partisanen-Gedenkfeier in Suetschach im Jahre 2016 wurde in Anwesenheit von Tatjana Feinig und Valentin Inzko unwidersprochen festgehalten, dass die Partisanenkämpfer den bewaffneten Widerstand „mit dem Ziel der Befreiung und Vereinigung des zerstückelten slowenischen Volkes“ geführt hatten.34 Die Kärntner Partisanen feiern nicht den Verbleib Südkärntens bei Österreich, sondern beispielsweise den Anschluss des Küstengebietes an das Mutterland Slowenien.35
In der Gemeinde Feistritz im Rosental gaben bei der Volkszählung (1910) 55 % der Bevölkerung Slowenisch als ihre Umgangssprache an. Ebenfalls 55 % stimmten im Jahre 1920 für den Anschluss an Jugoslawien. Nach dem Willen der damaligen Gemeindebürger käme die Gemeinde somit zu Slowenien. Wie bereits zur Zeit der slowenisch-jugoslawischen Besetzung der Zone A würde es in der Gemeinde ausschließlich slowenische Ortsnamen geben.
Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Slowenien bedeutete auch „das Ende und die Zerstörung der deutschen Minderheit“.36 Das wäre auch das furchtbare Schicksal der deutschsprachigen Feistritzer Bevölkerung geworden.
Die diesbezügliche Argumentation der Politikerin Feinig ist als eine Legende einzustufen.
Zu 2.2 Hinsichtlich des Bestandteils des Slowenischen in der Gemeinde Feistritz i. R. müsste 100 Jahre nach der Volksabstimmung erwartet werden, dass damit das Slowenische auch als Bestandteil Kärntens und des österreichischen Volkes (Nation) gilt. Im Gegensatz dazu wird aus slowenischer Position das Slowenische nicht als Bestandteil einer österreichischen Gemeinde, sondern als Bestandteil der slowenischen Volksgruppe, der slowenischen Volksgemeinschaft, des slowenischen Volkes (Nation) bzw. als Markierung des slowenischen Kultur- Wirtschafts- und Politikraumes definiert: Über eine zweisprachige Ortstafel in Suetschach würde sich Valentin Inzko sehr freuen, „weil es ein Hinweis wäre, dass hier zwei Volksgruppen (bzw. zwei Volksgemeinschaften) wohnen“.37 Zweisprachige Tafeln seien eine Angelegenheit der Sprache, sie sind der „Beweis für die Existenz zweier Völker“, wird beispielsweise vom slowenischen „ Forum für den Dialog“, dem auch Valentin Inzko, mehrere Kirchenvertreter, Daniel Wutti, Felix Wieser, Nanti Olip u.v.a. angehören, festgehalten.38 Die Behauptung der Existenz von zwei Völkern (also des deutschen und des slowenischen Volkes) oder von zwei Volksgruppen bzw. im Slowenischen „Volksgemeinschaften“ (=narodna skupnost) entspricht auch der deutschnationalen Geisteshaltung. Die Ansicht, die deutschsprachigen Österreicher gehörten dem deutschen Volk an, könnte unter Umständen sogar als Ausfluss nationalsozialistischen Gedankengutes interpretiert werden.39
Zu 2.3 Die Begründung des Antrages der Volilna Skupnost mit dem Hinweis auf den Ortstafelsturm ist eine Provokation. Es ist bekannt, dass in der heißen Phase des Ortstafelsturms Titos Geheimpolizei vier Agitationsgruppen mit dem Auftrag nach Österreich einschleuste, die Spannungen zwischen der Mehrheit und der Minderheit in Kärnten sowie im Burgenland zu verschärfen. Danach kamen Sprengkommandos zum Einsatz, wobei auch Funktionäre von slowenischen Organisationen in Kärnten genannt werden. Kärnten stand am Rande eines Bürgerkrieges. Für diese terroristischen Aktionen wurde dann die Kärntner Mehrheitsbevölkerung verantwortlich gemacht. Der Ortstafelsturm wurde von unzähligen Schmieraktionen, Demonstrationen, Drohungen und Attentaten begleitet.
Mit der Geheimpolizei Titos (UDBA) waren auch viele Kärntner Slowenen vernetzt. Diesbezügliche konkrete Hinweise gibt es sogar für den ehemaligen Obmann des Rates der Kärntner Slowenen (NSKS), Joško Tischler. Der 42. Tischler-Preis wurde am 11.6.2021 von Valentin Inzko und Janko Krištof an Matevž Grilc verliehen.40 In der Vergangenheit erhielten auch einzelne Mitarbeiter des kommunistischen Geheimdienstes UDBA den Tischler-Preis.41
Unter den „Ortstafelstürmern“ befanden sich auch Slowenen aus dem Nachbarland.42
Zu 2.4 Deplatziert erscheint die Berufung auf den europäischen Geist. Das Europäische Parlament erwartet nämlich eine ehrliche Debatte über die Verbrechen des Nazismus, Stalinismus und faschistischer und kommunistischer Regime. Der Kärntner Partisanenverband und kommunistische Parteien lehnen diese europäische Friedensinitiative aber ausdrücklich ab. In Slowenien wird den Traditionsträgern der kommunistischen Partisanen sogar zum Vorwurf gemacht, dass sie eine „Vollendung des Volksbefreiungskampfes“ planten. Dies bedeute eine neue ethnische Säuberung und eine neue kommunistische Revolution.43
Der „europäische Geist“ fördert keine Völker, Volksgruppen oder Volksgemeinschaften. „Wir vereinigen nicht Völker, wir vereinigen Menschen“, war die Devise von Jean Monet, einem der Väter Europas.44 Das Eldorado der Volksgruppenidee begann mit der Machtübernahme des Nationalsozialismus. Heute steht in Europa der Mensch im Mittelpunkt und nicht die kollektive Volksgruppe (auf Slowenisch „Volksgemeinschaft“ = narodna skupnost).
3. Die Abstimmung
Am 14.6.2021 stimmte der Feistritzer Gemeinderat nach vorhergegangenen Diskussionen dem Antrag für neue insgesamt sechs zweisprachige Ortshinweistafeln in Suetschach und Matschach mit 16 zu drei Stimmen (zwei FPÖ, eine SPÖ/Walter Kleindienst) zu.
Vor dem Beschluss appellierte Tatjana Feinig an alle Gemeinderatsmitglieder, die slowenische Volksgruppe nicht als eine Gruppe darzustellen, die Unruhe stifte und „immer mehr will“. Das entspreche nicht der Wahrheit. „Wir stehen für ein gemeinsames Kärnten“, betonte sie ungeachtet dessen, dass sich die slowenische Volksgruppe selbst als Teil des slowenischen Volkes und der slowenischen Nation sieht (s.o.).
Zwei Drittel der Matschacher und sehr viele Suetschacher seien laut einer Unterschriftenliste gegen die zweisprachigen Ortsbezeichnungen, sagte hingegen Pernjak. Arnulf Begusch (ÖVP): „Wir stimmen dem Antrag der Volilna Skupnost zu, um ein Zeichen für eine neue Zeit zu setzen, und um den Konsens nicht zu stören“.45 Wohin soll denn der ÖVP-Konsens führen?
Ex-FPÖ-Landeshauptmann Gerhard Dörfler engagierte sich bei der Gemeinderatssitzung für zusätzliche zweisprachige Tafeln. Er bot der Bürgermeisterin und der Antragstellerin Tatjana Feinig (Volilna Skupnost) seine volle Unterstützung an: „Zweisprachige Ortstafeln sind Wertschätzung. Sie tun niemandem weh“.46 Dörfler betreffend Suetschach (Wohnsitz von Valentin Inzko): „Ich freue mich, dass Valentin Inzkos Wunde nun verheilen kann. Aber ich erwarte mir jetzt keine weiteren kruden Forderungen von seiner Seite“.47 Dörfler irrte offensichtlich. In diesem Zusammenhang ist in Erinnerung zu rufen, dass sich Valentin Inzko und mit ihm der Rat der Kärntner Slowenen an der Dialogarbeit nicht beteiligt haben, man habe die Dialogarbeit sogar zu torpedieren versucht: „Inzko selbst stand bis zuletzt einer Einigung im Wege“, erläuterte Stefan Karner, Moderator der Kärntner Konsensgruppe.48
4. Folgen der Feistritzer Entscheidung…
Die slowenische Abgeordnete Olga Voglauer (Grüne) gibt die Richtung vor: „Ich hoffe, dass weitere Gemeinden diesem Vorbild folgen werden. Es geht darum, dass die Zweisprachigkeit zu einer gelebten Selbstverständlichkeit wird“.49 Adrian Kert (Rat der Kärntner Slowenen): „DAS ist die neue Denkweise: Weg mit den Prozenthürden für die Sichtbarmachung des Slowenischen in Südkärnten. Diese Denkweise muss in allen zweisprachigen Gemeinden Fuß fassen. Es geht um die Erhaltung eines hier verwurzelten Kulturgutes, dem nach schweren Jahrzehnten wieder auf die Sprünge geholfen wird”.50
Die Konflikte um zweisprachige Ortstafeln sind bereits in weiteren Gemeinden in Planung.
5. Ortstafeln, eine völkische Besitzergreifung mit historischen Ängsten…
Mit Ortstafeln wird von Nationalisten seit jeher der völkische Boden markiert: Rudolf Maister ließ in der besetzten Zone A sofort alle deutschen Aufschriften entfernen und durch rein slowenische ersetzen. Adolf Hitler duldete nur deutsche Aufschriften. In Kärnten sind heute rein slowenische Ortstafeln für die völkische Markierung nicht mehr erforderlich, da die Zweisprachigkeit in Österreich automatisch dem Slowenischen (der slowenischen Volksgruppe bzw. dem slowenischen Volk) zugerechnet wird.51
Die slowenischen Medien (ORF-slowenische Abteilung, Novice, Nedelja…) in Kärnten praktizieren in ihren slowenischen Texten selbst keine Zweisprachigkeit. Ortsnamen werden grundsätzlich nur in slowenischer Sprache angeführt. Zweisprachig werden Ortsnamen von slowenischer Seite nur in ihren deutschsprachigen Texten benannt. Zweisprachige Ortsnamen werden von Slowenen von der Mehrheitsbevölkerung gefordert.
Die Annahme, eine zusätzliche Sprache sei eine Bereicherung und keine Bedrohung, ist (somit) nicht allgemein gültig. In Wien tun sogar Wahlplakate in türkischer Sprache „weh“.52
Auch am Beispiel Sloweniens kann man erkennen, dass (slowenisch-deutsche) Zweisprachigkeit sehr wohl ein Grund für Ängste sein kann.53 Es ist nicht zutreffend, dass es sich dabei „um den Erhalt des Kulturerbes“ handelt. Derselbe Personenkreis, der sich in Kärnten für die Zweisprachigkeit, also für den angeblichen Erhalt des Kulturerbes, engagiert, bekämpft die deutsch-slowenische Zweisprachigkeit für Slowenien und tritt somit gegen den Erhalt des (deutschen) Kulturerbes ein. Die deutschen Ortsnamen, sogar der Hauptstadt Laibach, dürfen nicht einmal in den Mund genommen werden. Wie im kommunistischen Jugoslawien gibt es weiterhin massive Bestrebungen, die deutschen Spuren in Slowenien zu löschen und sie in Vergessenheit geraten zu lassen.54 Dazu ein Beispiel: „Man sagte Klagenfurt/Celovec und wer für die slowenische Hauptstadt Ljubljana ihren deutschen Namen Laibach benutzte, outete sich als Reaktionär oder SlowenInnenfeind“, wird von Bernd Liepold-Mosser in der Publikation der Klagenfurter Universität strategisch festgelegt.55
Solange slowenische geografische Bezeichnungen in Kärnten kulturell wertvoll sein sollen und in Slowenien deutsche geografische Bezeichnungen von demselben Personenkreis verworfen werden, bedeuten Ortsnamen kein sprachlich- kulturelles Anliegen. Es ist ein beinharter völkisch-territorialer Kampfritus: Man müsse sich auf einen „Kampf um die Tafeln“, der auch noch in den nächsten Jahren zu führen sein wird, vorbereiten, formulierte vorausplanend der ehemalige Obmann der Einheitsliste, Vladimir Smrtnik, im Jahre 2007.56 Nahe Familienangehörige von EL-Funktionären beschmierten sogar selbst zweisprachige Ortstafeln und die Einheitsliste protestierte (vor der Aufklärung des Falles) scharf gegen diesen „Wandalenakt“.57 Man wollte also offensichtlich einen Konflikt inszenieren und die Mehrheit mit dem „Vandalenakt“ belasten. Der Kampf um slowenische Ortstafeln scheint also für die Stärkung des slowenischen Nationalbewusstseins von elementarer Bedeutung zu sein.
Von slowenischer Seite wird einbekannt, dass die Slowenen ihre Kultur gerne mit einer nationalen (völkischen) Tradition verbinden.58 Valentin Inzko zitierte diesbezüglich am 11.6.2021 anlässlich der Verleihung des Tischler-Preises den Ausgezeichneten Matevž Grilc: „Wenn es an Nationalbewusstsein mangelt, gibt es uns nicht mehr! Wenn das Volk überleben will, muss es den politischen Willen und das Nationalbewusstsein haben, ansonsten wird es uns nicht mehr geben“.59
Im Rahmen dieser Preisverleihung brachte der Laudator, Pfarrer Janko Krištof, die 1970er Jahre in Erinnerung: „Meine Gymnasium-Jahre waren auch Jahre von Demonstrationen in den Klagenfurter und Wiener Gassen. Es waren dies Jahre, als auch wir uns, die Jungen, dem Kampf um unsere Rechte angeschlossen haben. Von diesem Kampf wurden wir stark geprägt. Matevž Grilc stand damals in der ersten Reihe. Deshalb darf ich ihm heute auch aus persönlicher Dankbarkeit für seine Verdienste den Tischler-Preis überreichen“.60 Kärnten stand in diesen 1970er Jahren bekanntlich am Rande eines Bürgerkrieges.
Wir leben aber in einem gemeinsamen Europa und wünschen uns eine Friedensregion Alpen-Adria. Wer den Erhalt des slowenischen Kulturerbes fordert und gleichzeitig das deutsche Kulturerbe bekämpft – oder umgekehrt – stiftet Unruhe!
6. Befreiung der Ortstafelfrage vom Völkischen…
Wie könnte man die Ortstafeln vom Völkischen befreien?
Dafür bieten sich zwei Strategien an: Ortstafeln ausschließlich in der jeweiligen Staatssprache oder eine grenzüberschreitende Zweisprachigkeit.
6.1 In einer grenzüberschreitenden Friedensregion Alpen-Adria wären zweisprachige Ortsnamen zunächst für die Hauptstädte Laibach, Triest und Klagenfurt denkbar. Damit wäre ein völkisch-territoriales Besitzstreben ausgeschlossen. Bereits im Jahre 2007 erklärte sogar Valentin Inzko in seiner Funktion als österreichischer Botschafter hinsichtlich der deutschen Minderheit in Slowenien: „Ich würde mir eine zweisprachige Aufschrift beim Gottscheer Kulturzentrum wünschen und einige symbolische zweisprachige Aufschriften in der Gottschee“.61 Die nationale Sucht auf slowenische Ortsnamen könnte somit überwunden werden. Symbolische zwei- oder mehrsprachige Ortstafeln in einer zukünftigen Friedensregion Alpen-Adria wären eine Lösung.
6.2 Eine zweite Möglichkeit der Überwindung des völkischen Ortstafelkampfes wären topografische Aufschriften ausschließlich in der jeweiligen Staatssprache. Wem tun Ortstafeln und insbesondere Wegweiser (nur) in der jeweiligen Staatssprache eigentlich weh? Nur den Nationalisten.
Der völkische Blut- und Bodenkampf wäre somit zu Ende.
7. Gänzliche Überwindung des Völkischen …
Marjan Sturm konstatierte bereits im Jahre 1996 einen „inszenierten Konflikt um zweisprachige Ortstafeln“. In der Vergangenheit habe vor allem die FPÖ aus wahltaktischen Gründen die Minderheitenfrage angezündet. In den letzten Jahren habe sich das geändert. Nun wollen Kreise innerhalb der slowenischen Minderheit aus wahltaktischen Gründen die Minderheitenfrage anheizen: „Nur in einer gespannten Situation kann es zu einer Homogenisierung der Menschen auf der Grundlage der ethnischen Zugehörigkeit kommen. Davon versprechen sich bestimmte EL-Gemeindelisten (aber keinesfalls alle) Vorteile. Dahinter steht die Logik einer nationalen Partei, eine Logik, die z. B. in Bosnien zum Morden und zur Zerstörung beigetragen hat. Deshalb wird es notwendig sein, dass wir dieses Konzept genauer studieren und (…) eine demokratische Alternative entwickeln“.62
Der angesehene Kärntner Historiker Andreas Moritsch schrieb im Jahre 1996: „In einem national vielgestaltigen, entgrenzten Europa können nationale Mehr- oder Minderheiten, Gast- oder Muttervölker und letztlich auch Volksgruppen keine maßgebenden politischen Kategorien mehr sein. (…) Es liegt an den Kärntner Slowenen selber, die längst nicht mehr die bedauernswerten Hinterwäldler von ehemals sind, aus ihrem vergangenheitsorientierten, zu sehr außengesteuerten, passiven und ethnisch-völkischen nationalen Bewusstsein herauszufinden, um unter den veränderten Verhältnissen der zu Ende gehenden nationalen Ära selbstbewusst eine aktive Rolle in der alpenadriatischen Region spielen zu können“.63
Diese Überwindung des völkisch-nationalen Bewusstseins und eine regional-europäische Umorientierung lassen in Kärnten auf sich warten. Nach slowenischnationaler Position lebten in Kärnten Deutsche und Slowenen bzw. zwei Volksgruppen. Im Slowenischen nennt sich die Volksgruppe weiterhin „Volksgemeinschaft“ (narodna skupnost). Die Existenz eines gemeinsamen österreichischen Volkes wird somit weiterhin ignoriert. Bewusste Deutschnationale haben längst erkannt, dass der slowenische Nationalismus auch ihre Positionen stärkt.
Der Klagenfurter Professor Andreas Moritsch ist leider zu früh verstorben und konnte sein Vorhaben, mit wissenschaftlichen Argumenten gegen den völkischen Nationalismus in Kärnten aufzutreten, nicht mehr realisieren. Kärnten ist in eine Nationalismusfalle geraten.
Wissenschaftliche Studien beweisen allerdings, dass insbesondere die slowenischsprachige Jugend in Kärnten zunehmend einen starken Kärnten- und Österreichbezug aufweist und die slowenische Volkszugehörigkeit (Mutterstaat Slowenien) schwindet. Der gemeinsame slowenische Kulturraum „lebt insbesondere bei der Jugend nicht mehr“, klagt der slowenische EL-Politiker Bernard Sadovnik. Sogar im ehemaligen Jugoslawien habe es mehr Kontakte mit den Vereinen in Slowenien gegeben.64 „Wir sind eine Schule, die die regionale Identität stärkt“, verweist der Direktor des Slowenischen Gymnasiums, Michael Vrbinc, auf den europäischen Gedanken, der anfängliche nationale Beweggründe in den Hintergrund gerückt hat.65
Aus pazifistischer Sicht ist die schrittweise anti-völkische Neu-Orientierung der slowenischsprachigen Jugend zu begrüßen. Auch die Kärntner Landespolitik müsste umdenken.
8. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der für Minderheitenfragen zuständige Bund den Ortstafelkonflikt konsensual zur Freude der friedliebenden deutsch- und slowenischsprachigen Kärntnerinnen und Kärntner beendet hat. Einzelne Bürgermeister nehmen dieses verfassungsmäßige Ende nicht wahr und ermöglichen im Rahmen der Gemeindeautonomie eine Fortsetzung des völkisch- nationalen Kampfes.
1 https://www.kleinezeitung.at/kaernten/klagenfurt/aktuell_klagenf…, 14.6.2021.
2 Novice, 18.6.2021, S. 7 (Janko Kulmesch).
3 https.www.kleinezeitung.at/kaernten/klagenfurt/5991201/Feistritz, 10.6.2021.
4 https://kaernten.orf.at/stories/3107712/, 10.6.2021.
5 Novice, 13.7.2007, S. 1.
6 KZ, 11.6.2021, S. 19.
7 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3108048/, 12.6.2021.
8 Ein Kärnten. Die Lösung, 2012, S. 183.
9 https://kleinezeitung.at/meinung/5992060/Weitere-zweisprac…, 11.6.2021. Diese Meinung wird auch vom ORF-Kärnten verbreitet: https://kaernten.orf.at/stories/3107712/, 10.6.2021.
10 https://www.skupnost.at/de/details-1325/, Abruf: 30.6.2021.
11 Gerhard Hesse, in: Ein Kärnten. Die Lösung, 2012; Novice, 8.1.2021, S. 7.
12 KZ, 7.5.2007, S. 16.
13 Kronen Zeitung, 10.6.2007, S. 12.
14 https://www.diepresse.com/308856/ortstafel-debatte-gusenbauer-g…, 6.6.2007.
15 KZ, 17.1.2007, S. 6.
16 KZ, 2.2.2007, S. 18 (Andrea Bergmann).
17 Kronen Zeitung, 3.2.2007, S. 12 (Waltraud Dengel).
18 KZ, 3.2.2007, S. 19.
19 www.woche.at 6.5.2007, S. 6.
20 KZ, 20.5.2007, S. 24.
21 Novice, 30.3.2007, S. 3, 5.
22 Novice, 27.4.2007, S. 4, 5.
23 http://www.slo.at/ZSO/sturm_sl.php, 30.3.2007.
24 KZ, 22.3.2007, S. 23.
25 KZ, 26.5.2016, S. 6.
26 KZ, 21.10.2007, S. 10.
27 Zitiert nach: Josef Lausegger, Zur Geschichte der Kärntner Windischen, in: Carinthia 2019, S. 703, 705.
28 Novice, 18.1.2019, S. 15.
29 www.woche.at, 4.7.2007, S. 18.
30 KLA, KHD, Schachtel 17/1, Schreiben vom 11.9.1920; Valentin Inzko, Zbornik prispevkov in spominov, Klagenfurt 2015, S. 393, 46.
31 Näheres siehe bei: Josef Lausegger, Der slowenisch-jugoslawische Volksrat für Kärnten, in: Carinthia 2019, S. 584, 585.
32 http://www.partizani.at/index.php/odbori, Abruf: 21.10.2020.
33 Erinnerungskulturen im Grenzraum. Spominske kulture na obmejnem območju, Klagenfurt 2020, S, 113.
34 Novice, 12.2.2016, S. 4.
35 Novice, 24.8.2007, S. 4.
36 Jože Dežman, Hanzi Filipič, Die Vernichtung der deutschen Minderheit in Slowenien, in: Heisse Spuren des Kalten Krieges, Hermagoras 2013, S. 51.
37 KZ, 1.7.2007, S. 10.
38 Novice, 9.3.2007, S. 6.
39 VfGH – Erkenntnis vom 25.6.1988; 17.12.1952.
40 Titos langer Schatten, Klagenfurt 2015, S. 754, 123, 124.
41 Dušan Lajovic, Med svobodo in rdečo zvezdo, Ljubljana 2003, S. 169 ff.
42 Siehe: Hellwig Valentin, Am Rande des Bürgerkrieges, Klagenfurt 2013, S. 397.
43 Vida Kocjan, Demokracija, 22.4.2021, S. 13, 14.
44 Europa Stimme, Zeitung der EFB, Nr. 3/2007, Mai, Juni 2007, S. 1.
45 https://www.kleinezeitung.at/kaernten/klagenfurt/aktuelles_klagenf…, 14.6.2021.
46 https://www.kleinezeitung.at/kaernten/5994071/friedensmission_…,15.6.2021.
47 Kronen Zeitung, 16.6.2021, S. 18.
48 KZ, 11.6.2011, S. 12.
49 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3108529/, 16.6.2021.
50 KZ, 16.6.2021, S. 27.
51 Peter Ibounig, KZ, 9.1.2007, S. 20; 10.1.2007, S. 41. Ibounig: Angaben „Slowenisch und Deutsch“ werden von der Statistik in der Rubrik „Umgangssprache Slowenisch“ ausgewiesen.
52 Die Presse, 19.9.2013, S. 2.
53 Vgl. dazu hingegen: Andrea Bergmann, Motivation für Zweisprachiges. Quelle: KZ, 11.6.2021, S. 19.
54 Vgl. dazu: Jože Dežman, Hanzi Filipič, Heisse Spuren des Kalten Krieges, Hermagoras 2013, S. 51.
55 Dispositiv Kärnten/Koroška, Klagenfurt 2020, S. 46.
56 Novice, 20.7.2007, S. 5.
57 Titos langer Schatten, S. 195; Pressedienst des KAB, 8.8.2011; Novice, 7.3.2008, S. 4.
58 Siehe: Janko Malle, http://www.slo.at/spz/malle_sl_more.php?id=250_0_68_0_M, 3.8.2007.
59 Novice, 18.6.2021, S. 5.
60 https://www.nsks.at/aktualno_aktuell/detail/sl/dr.-matevzh-grilc-je…Abruf: 15.6.2021.
61 www.woche.at, 4.7.2007, S. 18.
62 Slovenski vestnik, 26.9.1996, LPD Nr. 172/96.
63 Andreas Moritsch, Austria Slovenica, Klagenfurt 1996, S. 26, 27, 57.
64 Novice, 26.6.2021, S. 6.
65 KZ, 9.5.2007, S. 26.