Interview mit LH Dr. Peter Kaiser Assimilation, „Phänomen“ Kurz

8.2.2020  LH Peter Kaiser – Im slowenischen „Delo“ wird ein Interview mit dem Landeshauptmann veröffentlicht. Redakteurin: Saša Vidmajer.

Peter Kaiser habe den Ruf, ein Landeshauptmann zu sein, der bisher mit der slowenischen Minderheit am stärksten sympathisierte. LH Kaiser: „Mit konstanten Maßnahmen im Bereich der schulischen Infrastruktur ist es uns gelungen, auch heuer die Anmeldungen zum zweisprachigen Unterricht zu erhöhen, dass ist ein großer Erfolg. (…) Es besteht die Möglichkeit, dass die Gemeinden zusätzliche zweisprachige Ortstafeln aufstellen. Das ist in der Zuständigkeit der Gemeinden gelegen. Wir als Land können nur ermuntern, dass innerhalb der Gemeinden die Zahl an zweisprachigen Ortstafeln vergrößert wird, wir können es aber nicht selbst tun. Wir haben positive Vorbilder, wie die Gemeinde Bleiburg. (…) Ich hatte einige positive Gespräche mit dem Bürgermeister der Gemeinde Sittersdorf und es besteht der Wunsch, dass wir auch erreichen, dass die Tafeln aufgestellt werden. Das wäre im Sinne des Literaturpreisträgers Lipuš, der aus dieser Gemeinde stammt.“ Auf den Hinweis, dass wegen des deutschen Nationalismus und der fehlenden Gleichberechtigung die slowenische Minderheit assimiliert wird, antwortet der Landeshauptmann u.a.: „Eine derartige historische Entwicklung erlebten wir nicht nur in Kärnten, etwas Ähnliches passierte auch in der Steiermark, mit Slowenen, aber auch mit anderen Minderheiten in Österreich. (…) Die slowenische Volksgemeinschaft (narodna skupnost) ist auch in der Landesverfassung verankert. Wir können tatsächlich sagen, dass es die historischen Prozesse, die die Assimilation bewirkten, wobei die Assimilation immer mit irgendwelchen politischen Druckausübungen verbunden ist, heute nicht mehr gibt. Das ist eine sehr positive Entwicklung.“
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Anmerkung: Die Minderheitensituation in Slowenien wurde vom Landeshauptmann nicht thematisiert. Beispielsweise lebten im heutigen Slowenien im Jahre 1910 laut Volkszählung 106.000 (9,4 %) Deutschsprachige, im Jahre 1921 waren es 41.514 (3,9%) und im Jahre 1931 nur noch 28. 998 (2,6%)1. Heute wird die Existenz einer deutschen Minderheit in Slowenien offiziell nicht mehr anerkannt. Die Anzahl jener, die sich zum slowenischen Volkstum bekennen, ist in keinem Nachbarland so stark gesunken wie in Slowenien selbst. Zwischen den Volkszählungen 1991 und 2002 sank die Anzahl um 58.294 „Seelen“, berichtet Janez Stergar. Im Jahre 2002 gaben 92.071 slowenische Staatsbürger  Slowenisch als ihre Muttersprache an, verneinten aber die slowenische Volkszugehörigkeit. Es drängt sich dabei ein direkter Vergleich mit den Kärntner Windischen auf.2

Frage der Reporterin hinsichtlich des „Phänomens Kurz“. Er sei noch immer der jüngste Regierungschef in der EU, ist populär und ein Populist, jedoch ein mittelmäßiger Politiker, ohne Ausbildung („brez izobrazbe“ = keinen Schulabschluss haben). Früher einmal hatte Österreich im Hinblick auf das hohe Bildungsniveau einen guten Ruf.
Kaiser: „Ich selbst bin ein Soziologe, das Studium vollendete ich neben meiner Arbeit. Ich würde sagen, dass man merkt, wie unseren Bundeskanzler die Macht anzieht und dieses Faktum wird von seiner Umgebung kompromisslos unterstützt. (…) Faktum ist, dass wir echte Inhalte, irgendwelche staatsbildenden Konzepte und auch ein Konzept für die weitere gemeinsame Entwicklung vermissen. Der Populismus und populistische Elemente, die hier durchaus existieren, können grundlegende Werte und Empathie nicht ersetzen.Man soll aber bedenken, dass wegen des Alters des aktuellen Kanzlers noch nicht alle seine Erfahrungen erschöpft sind. Erlauben Sie mir noch einen persönlichen politischen Kommentar. Ich denke, dass wir mit konsequenten, konkreten Inhalten, mit Verständnis und Empathie bei politischen Aktivitäten auch in Österreich auf weite Sicht andere Inhalte werden sehen können.3

1 http://archiv.pavelhaus.at/publikationen/signal101_deutsch/signal_…, Abruf: 20.4.2020.

2 Meje slovenskega kulturnega prostora (= Grenzen des slowenischen Kulturraumes) 2014, S. 190.

3 Delo, 8.2.2020, Beilage, S. 16-17.