Präsidentschaftskanzlei: Anwortschreiben betreffend die kritischen Bemerkungen zur Rolle des Herrn Bundespräsidenten

Bundespräsident Alexander Van der Bellen
Bundespräsident Alexander Van der Bellen

Info Nr. 50

8.11.2021  Präsidentschaftskanzlei – Antwortschreiben zu den Informationen Nr. 48/49 („8.7.2021“) betreffend die kritischen Überlegungen zur Rolle des Herrn Bundespräsidenten aus Anlass der „Ortstafellösung“.

1. Zur Erinnerung: Die Information enthielt bzw. enthält insbesondere folgende Kritikpunkte :
Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach im Zusammenhang mit der (angeblichen) „Ortstafellösung“ ausdrücklich von der Aufstellung weiterer Ortstafeln. Der Ortstafelstreit wird somit auf die Gemeindeebene abgeschoben.
– Obwohl der Herr Bundespräsident selbst die Zweisprachigkeit wegen seiner historischen Erfahrungen mit dem Kommunismus abgelehnt hat, zeigt er für die Südkärntner Bevölkerung in dieser Frage kein Verständnis.
– Die vielen verschiedenen Muttersprachen seien laut Van der Bellen etwas sehr Europäisches.
In Wien werden jedoch den neuen Minderheiten elementare Bürgerrechte verweigert (Samuel Salzborn). Warum sollten sich also die vielen verschiedensprachigen Landsleute in die österreichische Gesellschaft integrieren, wenn ihre Sprachen nicht oder weniger gewürdigt werden?
– Der Herr Bundespräsident müsste bei der Ablehnung des KKW Krško entschlossener auftreten.
– Obwohl der „Verein der deutschsprachigen Altkärntner“ dem Bundespräsidenten eine Petition überreicht hatte, schwieg das Staatsoberhaupt zu dieser menschenrechtlichen Frage. Der Landeshauptmann gab eine diesbezügliche Erklärung ab.
– Der Herr Bundespräsident hatte im Zusammenhang mit der „Ortstafellösung“ ein offizielles Treffen mit Funktionären des Rates der Kärntner Slowenen (Valentin Inzko, Rudi Vouk), obwohl dieser Verband eine „Totalrevision der Ortstafelregelung“ fordert und die Arbeit der verdienstvollen Kärntner Konsensgruppe „in den Schmutz zieht“ (Ana Blatnik).
– Die slowenische Parallelgesellschaft in Kärnten beunruhigt den Herrn Bundespräsidenten nicht.
– Die Existenz eines (ethnischen) österreichischen Volkes wird vom Bundespräsidenten nicht thematisiert und ein Bekenntnis zum österreichischen Volk von den österreichischen Minderheiten wird nicht eingefordert.
– Die autochthonen Minderheiten seien laut Van der Bellen ein „selbstverständlicher Teil der österreichischen Identität“. Laut Artikel 5 der slowenischen Verfassung ist aber sinngemäß Slowenien für die slowenische Minderheit in Kärnten zuständig. Es fehlt dazu eine öffentliche Klarstellung des österreichischen  Staatsoberhauptes.
– Der slowenische Staatspräsident Borut Pahor besucht auch Gedenkveranstaltungen für Partisanenopfer und erblickt auch in den Tito-Partisanen Täter. Am 12.9.2021 übermittelte Bundespräsident Van der Bellen einem Marsch zu Ehren von Tito-Partisanen Grußworte, ohne dabei  auf die Opfer der Partisanen verwiesen zu haben.
– Der Herr Bundespräsident sollte beim Ausstieg aus der „überkommenen Volksgruppendefinition“ Schrittmacherdienste leisten.

2. Das Antwortschreiben der Präsidentschaftskanzlei lautet wie folgt:
Sehr geehrter Herr Dr. Lausegger!
Der Herr Bundespräsident hat von Ihrem E-Mail vom 2. November d.J. Kenntnis genommen.
Er begrüßt weiterhin die einvernehmlich gefundene Lösung der Ortstafelfrage vorbehaltlos als großen Schritt – auch wenn jedermann und damit auch er weiß, dass nichts auf Erden perfekt ist.
Was das Thema der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien anlangt, so spricht er dieses regelmäßig in seinen Gesprächen mit der slowenischen Seite an. Wie Slowenien seine eigene Minderheit behandelt, soll aber keinen Einfluss darauf haben, wie wir mit unseren eigenen autochthonen Minderheiten umgehen. Wir fördern ihr Weiterbestehen nicht nur deshalb, weil wir dazu völkerrechtlich verpflichtet sind, sondern weil es auch in unserem eigenen Interesse liegt.
Ansonsten darf ich auf das Schreiben verweisen, das Ihnen der Präsident des Verfassungsgerichtshofes a.D. Univ. Prof. Dr. Ludwig Adamovich im Mai 2017 geschickt hat.
Mit freundlichen Empfehlungen.
Ministerialrat Dr. G. F. eh
.
Leiter der Gruppe Recht“

3. Prof. Adamovich legte im erwähnten Schreiben vom 16. Mai 2017 im Zusammenhang mit der Verankerung der slowenischen Volksgruppe in der Kärntner Landesverfassung Wert auf die Feststellung, dass es „in Österreich keine deutsche Volksgruppe gibt“. Das ist auch meine Ansicht.
Diese Erkenntnis stimmt aber mit der Kärntner Realität nicht überein. Nicht nur Nationalisten, sondern auch Landespolitiker gehen nämlich von zwei Volksgruppen oder Volksgemeinschaften und von zwei Völkern aus. Im Klartext kann es sich dabei nur um eine slowenische und eine deutsche Volksgruppe handeln. Gelegentlich wird die Kärntner Bevölkerung unmissverständlich sogar auf Deutsche und Slowenen geteilt. Kärnten ist in eine Nationalismusfalle geraten.
Es liegt also ein Informationsmangel über die tatsächliche Situation der slowenischen Minderheit vor.

4. Im Wege der deutschsprachigen Plattform „www.volksabstimmung-1920.at“ kann sich auch die Mehrheitsbevölkerung informieren. Ich danke den Leserinnen und Lesern für ihr Interesse.
Mit der Plattform wird ein nachhaltiger Beitrag zur Überwindung des völkischen Nationalismus bzw. der Idee der Volksgemeinschaft („narodna skupnost“) geleistet.