Slowenen kritisieren die neue Kärntner Landesverfassung.
Der Rechtsanwalt Mag. Rudi Vouk und der Obmann des Rates der Kärntner Slowenen, Dr. Valentin Inzko, treten dabei federführend auf.
2018 Kalender der Hermagoras – Umfassende Stellungnahme des Rechtsanwaltes Rudi Vouk zur Verankerung der slowenischen Volksgruppe in der Landesverfassung. Vouk ist Funktionär des Vereines der Kärntner Slowenischen Juristen; dieser Vereinigung gehören bekannte Kärntner Juristen an, beispielsweise auch Matthäus Grilc (Rechtsanwalt), Peter Novak (Beamter im Verfassunmgsdienst des Landes Kärnten), Augustin Brumnik (Richter) u.a. Vouk fungierte als geschäftsführender Obmann des Rates der Kärntner Slowenen und als Obmann des Volksgruppentages des Rates der Kärntner Slowenen. Im Jahre 2012 wurde ihm der Joško Tischler-Preis und der Verdienstorden der Republik Slowenien verliehen. Im Jahre 2006 wurde Vouk in der Republik Slowenien zum Juristen des Jahres erklärt.1 Mit dem Würdigungspreis der Kämpfervereinigung „Rudolf Maister“ wurde Rudi Vouk als bisher einziger Kärntner Slowene am 21.11.2011 in Kamnik (Slowenien) ausgezeichnet.
Rudi Vouk: Die Erwartungen waren groß. Das Bildungsheim Tainach veranstaltete mehrere Symposien mit angesehenen Verfassungsjuristen zum Thema, wie Minderheiten in Landesverfassungen anderswo verankert sind und was man in Kärnten machen könnte. An diesen Veranstaltungen hat u.a. auch der Vorsitzende des Verfassungsausschusses des Landtages, Scherwitzl, teilgenommen; er ist sozusagen der Hauptkoordinator der vorgesehenen Veränderung. Die Vertretungsorganisationen der Kärntner Slowenen haben ein gemeinsames Verzeichnis von Punkten erstellt, die ihrer Meinung nach in der neuen Kärntner Verfassung berücksichtigt werden sollen. (…)
Leider hat es sich bald gezeigt, dass daraus nichts wird. (…)
Die slowenischen Vertretungsorganisationen wurden eigentlich erst munter, als die slowenische Jugend begann, gegen die Einführung der deutschen Landessprache zu protestieren und sehr klare Antworten aus Slowenien kamen. Selbstverständlich waren sich auch einige unsere Vertreter nicht zu schade, Slowenien zu kritisieren, anstatt sich für die eigenen Interessen einzusetzen. Erst unter dem Druck der Jugend und der slowenischen Öffentlichkeit begann die Suche eines Kompromisses vom Kompromiss. Es kam zu einem neuen Entwurf, womit die Stelle betreffend die deutsche Landessprache dadurch gemildert worden ist, dass man hinzufügte, „ das heißt die Sprache der Gesetzgebung und – unbeschadet der der Minderheit bundesgesetzlich eingeräumten Rechte – die Sprache der Vollziehung“. Juristen machten sich darüber lustig, dass die Kärntner Verfassung damit das erste Gesetz sein wird, das bereits selbst seine authentische Interpretation enthält. (…)
Wer den Beweis dafür wünschte, dass die Kärntner Politik die Kärntner Slowenen als inferior hält, hat ihn somit bekommen. Wer den Beweis dafür wünschte, dass den slowenischen Abgeordneten der Grünen das Parteiinteresse mehr bedeutet als das gemeinsame Interesse der Vertretungsorganisationen der Kärntner Slowenen, hat diesen Beweis ebenfalls bekommen.Sehr bezeichnend war danach das Ereignis anlässlich der Abstimmung über die neue Landesverfassung im Kärntner Landtag. Eine Jugendgruppe hat buchstäblich die Ehre der Kärntner Slowenen mit einer kulturellen, überlegten, ästhetischen und bedeutenden Protestaktion gerettet: Auf der Galerie des Landtages haben sie aus Protest Polanšeks „Steh auf und wehr dich“ gesungen. In Wien hat man sie verstanden, die Zeitung Falter gab ihnen den Titel „Hero der Woche“. (…)
Wir bekamen also eine neue Kärntner Landesverfassung, die zwar die Kärntner Slowenen erwähnt, gleichzeitig ist sie aber sogar schlechter als jene, die wir bereits hatten. Die Verfassung berücksichtigt nicht, dass die Minderheit auch Angelegenheiten betreffen, die in der Kompetenz des Landes gelegen sind. (…) Kärnten hat mit der Annahme der neuen Landesverfassung die historische Chance für eine Versöhnung mit den Kärntner Slowenen versäumt. (…)
Die Kärntner Landespolitiker betonten, dass sich rechtlich für die Kärntner Slowenen nichts ändert. Wenn dies richtig ist, dann ist die Erwähnung der Kärntner Slowenen in der Landesverfassung ohne irgendwelche Bedeutung. Wenn wir aber den Wortlaut der Landesverfassung ernst nehmen, dann bedeutet dies eine Verschlechterung der Rechtslage der Kärntner Slowenen, weil sie in jenem Bereich keinen Schutz mehr haben, der mit Landesgesetzen geregelt wird und weil nicht mehr ihre Entwicklung, sondern nur noch ihr Erbe geschützt wird. Es stellt sich die Frage, wie sich das Land Kärnten im Jahre 2020, anlässlich des 100. Jahrestages der Volksabstimmung, präsentieren will. Will man sich als ein deutsches Land präsentieren, das den Auftrag des Landesverwesers Lemisch lediglich mit einer Verspätung von zwei Generationen erfüllen will? Will man sich als ein Land präsentieren, das den Auftrag in die Praxis umsetzte, dass man dieses Land deutsch machen muss? Oder aber will man als ein Land auftreten, das die Bedeutung und den Nutzen der Zweisprachigkeit erkannt hat? Die neue Kärntner Landesverfassung gibt darauf Antworten, die für die Kärnten Slowenen unannehmbar sind“.2
Ergänzende Erläuterungen:
- Bereits am 2.6.2017 wurde in der Kleinen Zeitung ein kritischer Beitrag zur neuen Landesverfassung veröffentlicht: Valentin Inzko, österreichischer Diplomat und Obmann des Rates der Kärntner Slowenen, kritisierte: „ (…) Das ist respektlos. Die Parteien haben einen Tabubruch begangen, einen Landeskonsens gebrochen, der darin besteht, dass spätestens seit dem Ortstafelkompromiss Slowenisch als zweite Landessprache von beinahe allen Kärntnern akzeptiert wird.“ (Quelle: Kleine Zeitung, 2.6.2017, S. 12.)
- Sybille Haman (Die Presse) polemisierte, dass man leider die historische Chance verabsäumt habe, „endlich auch die Minderheitensprache Slowenisch, wie im Staatsvertrag vorgesehen, als Landessprache zu erwähnen. (…) Die Politiker setzen damit eine unselige Tradition fort, die in Kärnten seit Ende der Monarchie betrieben wird.“ (Quelle: Die Presse, 7.6.2017, S. 27.)
- Die Schriftstellerin Christine Nöstlinger beurteilte den Streit um die Landessprache wie folgt: „Aus Wiener Sicht habe ich den Eindruck, dass in Kärnten der Nationalismus steckt. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass sich nichts ändert. Sogar, wenn dort die Sozialdemokraten gewinnen, werden sie danach immer nationalistischer. Es hat sich nicht viel geändert bei den Menschen, sie sind nationalistisch, sie sind rechtsgerichtet, ungeachtet dessen, was sie wählen“. (Quelle: Novice, 29.9.2017, S. 4.)
- Gašper Blažič, slowenischer Journalist der Wochenzeitung Demokracija, vermutet im Zusammenhang mit angeblichen Fehlinformationen in Slowenien sogar, dass ehemalige Udba-Agenten die Situation der Slowenen im österreichischen Kärnten manipulierten. Diese hätten Unwahrheiten und Halbwahrheiten verbreitet. (Quelle: www.demokracija.si/fokus/kako-proti-obvescevalci-krojijo-polozaj-slovencev-n…, 25.2.2017.
- Die Landesregierung hat dem Landtag jährlich einen Bericht über die Lage der slowenischen Volksgruppe in Kärnten vorzulegen, der zu veröffentlichen ist, bestimmt Art. 69a der neuen Landesverfassung. Es gibt bereits derzeit betreffend die Lage der Minderheit völlig konträre Beurteilungen des geltenden Verfassungsgesetzes. Man muss also davon ausgehen, dass die Frage der Verankerung der slowenischen Minderheit in der Landesverfassung das Land Kärnten bis auf weiteres verfolgen wird.
Schlussendlich könnten jene im Recht sein, die vor dieser Gesetzesinitiative gewarnt haben.
Hier sehen sie mehr:
1 http://radio.ognijisce.si/sl/128/utrip/7141/, 17.3.2012, Abruf: 6.1.2018.
2 Koledar Mohorjeve družbe 2018, S. 41 ff. (Kalender der Hermagoras 2018)