2. Teil der Information
5. Der neue Staat Slowenien polarisiert…
Wird diese kriegerische Maister-Gesinnung, also eine Fortsetzung des geistigen Kampfes um die slowenische Nordgrenze, die Idee einer Friedensregion Alpen-Adria zerstören?
Der angesehene slowenischsprachige Historiker Andreas Moritsch (vormals Universität Klagenfurt) stellte im Jahre 1996 folgende Zukunftsfrage: „Könnte der neue slowenische Nationalismus, den die Republik Slowenien zur staatlichen Konsolidierung mobilisieren muss, bei den Kärntner Slowenen völkischen Irredentismus beleben? Sollte nicht die politische Komponente der Nationalität zu Gunsten der kulturellen so weit wie möglich zurückgedrängt werden? (…) Diese Fragen lassen sich noch nicht beantworten; vorerst soll es genügen, sie zu stellen“. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass laut Moritsch bereits lange vor der Volksabstimmung 1920, als die Frage der Nationalität territoriale Konsequenzen anzunehmen begann, für die Kärntner slowenischen Vereine nicht mehr Klagenfurt, sondern Ljubljana zum Zentrum geworden ist: „So begann sich das slowenischsprachige Südkärnten wirtschaftlich und kulturell in ein gesamtslowenisches nationales Territorium zu integrieren, was die Deutschen nur noch deutscher machte und die später sprichwörtlich gewordene Kärntner Urangst aufkommen ließ“.1
Dazu der Hinweis: Diese Verschränkung der slowenischen Minderheit mit Slowenien in kulturellen, sportlichen, wirtschaftlichen, bäuerlichen und politischen Bereichen ist noch heute gegeben.
Zu ähnlichen Erkenntnissen kam im Jahre 1999 der Klagenfurter Erziehungswissenschaftler Vladimir Wakounig. Er unterscheidet allerdings zwischen dem Zentralverband slowenischer Organisationen (derzeitiger Obmann: Manuel Jug) und dem Rat der Kärntner Slowenen (derzeitiger Obmann: Valentin Inzko). Demnach forciere der Zentralverband slowenischer Organisationen in den letzten Jahren „eine bewusst antinationalistische politische Praxis“ und lehne deshalb „jeden restriktiven und ausgrenzenden Begriff von Volksgruppe“ ab. Auf der anderen Seite stehe der Rat der Kärntner Slowenen, „der für die slowenische Volksgruppe klare, eindeutige Strukturen schaffen möchte, die die Vorstellung von Ethnie festlegen“. Der Experte verweist auf die „Verstrickung in den eigenen Rassismus am Beispiel der slowenischen Minderheit“ und zitiert einleitend belastende Aussagen aus dem Kreis des Rates der Kärntner Slowenen (Grilc, Kert, Smrtnik, Logar). Die Polarisierung dieser beiden Positionen innerhalb der slowenischen Volksgruppe habe seit der staatlichen Selbständigkeit Sloweniens (1991) an Schärfe zugenommen. „Die ethnozentristische bzw. nationalistische Gruppierung der Kärntner Slowenen fühlt sich durch den slowenischen Staat, der eine sehr ausgrenzende und nach innen homogenisierende Politik der nationalen Identität betreibt, gestärkt“.2
6. Maister und die Wiederholung der Geschichte…
Gibt es also betreffend den slowenischen Irredentismus, womit natürlich auch die Gefahr des Einsatzes von Gewalt verbunden ist, bereits eine klare Antwort?
Dazu einige Informationen:
Jahre nach der Volksabstimmung wurde in der slowenischen Presse noch die Meinung des slowenischen Generals hervorgehoben, dass man mit einer wirklichen Offensive in der damaligen Zeit, die gar nicht allzu viele Opfer gefordert hätte, „mehr erreicht hätte, als nun jahrzehntelang dem verlorenen Gebiet nachzuweinen“.3
Die nationalen Ziele des Generals wurden von den Tito-Partisanen von Anfang an übernommen und ungeachtet der Volksabstimmung 1920 die „Befreiung“ und Vereinigung aller Slowenen bzw. die Besetzung Kärntens angestrebt. Am 12.1.1944 wurde innerhalb der Befreiungsfront ein Wissenschaftliches Institut (Leiter: Dr. Fran Zwitter) errichtet, um diesbezügliche Argumente für die Grenzfragen nach dem Krieg vorzubereiten. Mitarbeiter des Instituts war auch der bekannte Kärntner Slowenenfunktionär Dr. Luka Sienčnik. Für die „Arbeit nach der Besetzung“ wurde von ihm ein Positionspapier ausgearbeitet. Sienčnik (Partisanenname: Trnov) ging davon aus, dass 55.000 Deutschsprachige aus Südkärnten zu vertreiben sein werden. Diese Arbeit würde der Umstand erleichtern, dass viele Deutsche schon vorher flüchteten.4 Das Institut wurde später in „Institut für Nationalitätenfragen“ (Institut za narodnostna vprašanja) umbenannt und ist weiterhin in Laibach aktiv.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sei es auch nach Ansicht slowenischsprachiger Historiker ein Fehler gewesen, dass die slowenischen Organisationen stur auf der Forderung nach Anschluss Slowenisch-Kärntens zu Jugoslawien beharrten. Diese Forderung habe das Überleben des deutschen Nationalismus und die konfrontative Atmosphäre zwischen den „beiden Völkern“ in Kärnten gefördert.5
Dem General Maister ist für seinen gewalttätigen Kampf um die Nordgrenze (erst) seit 2006 ein Staatsfeiertag gewidmet. Bereits am ersten „Rudolf Maister-Tag“, also am 23.11.2006, wurde der Bund der patriotischen Vereine „Hervardi“ in das slowenische Vereinsregister eingetragen (Obmann: Andrej Šiško). Der neu gegründete Bund beruft sich ausdrücklich auf General Rudolf Maister: „Ginge es im Sinne Maisters wäre das slowenische Kärnten viel größer und würde sowohl Klagenfurt und Villach als auch das Zollfeld mit dem Herzogstuhl, dem Fürstenstein und Karnburg einschließen“. Am 15.6.2018 wurde ein Ehrenkodex der Slowenen publiziert: „Bleib dem Blut und der Erde treu. (…) Die künftige Treue erkennt man im Kampf. (…) Sei dir immer dessen bewusst, dass der Schwächere den Kampf meidet, der Stärkere sucht den Kampf und der Große findet im Kampf sein Glück“. Obmann Andrej Šiško fungiert auch als Anführer der bewaffneten Miliz „Štajerska varda“ (Steirische Wacht) und ist Chef der rechtsextremen Splitterpartei mit der programmatischen Bezeichnung „Vereinigtes Slowenien“. In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff „Division Rudolf Maister“ verwendet: „Die Division Rudolf Maister ist kein Mythos, es ist die Realität. Sie ist zusammengesetzt aus Männern und Frauen, die ihre Heimat lieben und bereit sind, für die Heimat in den Kampf zu ziehen. Sie werden für Slowenien und die Slowenen in der Heimat und außerhalb der Heimat kämpfen. (…) Darüber hinaus gibt es hier eine Kollaboration der linken Faschisten Antifa und radikalen Moslems (…). Warum der Name Rudolf Maister? Deshalb, weil Rudolf Maister unser größter Nationalheld ist, weil er der erste Befehlshaber des slowenischen Heeres war und für Slowenien kämpfte“.6
An der Grenze zu Österreich spiele sich ein staatspolitisch gefährlicher Vorgang ab, urteilte diesbezüglich die Kleine Zeitung im Jahre 2018. Bis Ende 2020 wurde dieser „staatspolitisch gefährliche Vorgang“ von der Kleinen Zeitung aber bemerkenswerterweise nicht mehr thematisiert. Näheres siehe im „Archiv“ unter „1.9.2018“.
Am 8.2.2020 besuchten uniformierte (!) Mitglieder der Miliz „Steirische Wacht“ am Tag der offenen Tür den Staatspräsidenten Borut Pahor in seinen Amtsräumen. Im Mai 2020 blockierten rund 50 uniformierte Kämpfer den Eingang zur Polizeistation in Slovenska Bistrica und schüchterten die Polizisten ein. Sie gaben den Polizisten zu verstehen, dass sie von ihnen nicht mehr kontrolliert werden wollen.7
Die Steirische Wacht erinnere an nazistische Sondereinheiten, die aus den Sicherheitskräften der Hitler-Partei entstanden sind und später in Abteilungen der Braunhemden-SA und SS umbenannt worden sind, urteilt die Wochenzeitung „Mladina“.8
Die illegale Miliz beunruhigte das benachbarte Kroatien. Besorgt reagierte die amerikanische Presseagentur Associated Press (AP). Kritische Berichte gab es auch von der Agentur Reuters, der britischen BBC und von der Deutschen Welle.9 Kärnten reagiert(e) darauf nicht, obwohl es von der Rückbesinnung auf den militärischen Besatzer Kärntens, General Maister, betroffen ist. Die politische Bewegung „Vereinigtes Slowenien“ ist sogar unmittelbar gegen die Einheit Kärntens gerichtet.
Dieses irredentistische Gewaltpotential muss im Kontext mit der historisch tief gespaltenen slowenischen Gesellschaft beurteilt werden. Es wird eine Wiederholung der leidvollen Geschichte befürchtet:
„Wir haben einen eigenständigen Staat, es ist uns aber noch nicht gelungen, uns aus dem Griff der allmächtigen (kommunistischen) Partei zu befreien. Die Angst vor einer Wiederholung des revolutionären Blutgerichtes ist berechtigt. Ihre Wortwahl ist furchterregend“, schreibt Matija Pucelj zu Jahresende 2020.10 Derzeit kontrollierten die ehemaligen Kommunisten alles, sogar die Slowenische Akademie der Wissenschaft und Kunst. Die Macht im RTV-Slovenija besitze eine Gruppe, die mit Methoden der Geheimdienste UDBA und KOS die Situation beherrscht, konstantiert der bekannte Geschichtsprofessor Stane Granda.11
Auch die bekannte linke Friedensaktivistin Spomenka Hribar befürchtet eine Wiederholung der Geschichte und sieht die Schuld insbesondere auf Seiten der Kirche und der Rechten. Denn wieder stünde die römisch-katholische Kirche hinter den faschistischen und nationalsozialistischen Ausfällen in Slowenien, Italien, Spanien, Kroatien, Österreich, Polen, der Slowakei und in Ungarn. Der Hass dringe auch durch viele Kirchenpredigten. Deshalb müsste man den „Klero-Faschismus“ und den „Klero-Nationalismus“ in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Analysen stellen. Hribar räumt ein, dass die kommunistischen Partisanen nach dem „Klassenprinzip“ auch reiche Menschen, politisch aktive Menschen, Geistliche und Zivilisten ohne jede Schuld getötet haben. Während aber die Nachfolgerin der ehemaligen KP, der Verband der Kommunisten, die Nachkriegsverbrechen einbekannte und bedauerte, war von Seiten der Rechten und der Kirche kein Wort des Bedauerns zu hören, geschweige denn eine Entschuldigung. Solange die Rolle der Kirche beim Schüren des Hasses gegenüber Andersdenkenden ausgeblendet werde, wird die Gefahr der latenten Bürgerkriegskonflikte auf der Tagesordnung stehen.12 Was heute in Slowenien passiere, sei eine gewisse Fortsetzung des unendlichen Konflikts aus dem Zweiten Weltkrieg, meint Spomenka Hribar, „die Ikone der slowenischen Demokratiebemühungen“.13
Der Historiker Jože Dežman und weitere antikommunistische Publizisten legen hingegen Wert auf die Feststellung, dass der antikommunistische Widerstand der Domobranci erst wegen des kommunistischen Terrors der Tito-Partisanen notwendig geworden sei.14
Der Vorwurf des Klero-Faschismus und Klero-Nationalismus, womit die Kirche und die Nachkommen der Domobranci gemeint sind, lässt erahnen, wie feindselig die ideologischen Auseinandersetzungen in Slowenien ablaufen. Dieses Konfliktpotenzial ist auch in Kärnten präsent, zumal der Kärntner Partisanenverband gemeinsam mit den Partisanenverbänden Sloweniens die Ideologie der Tito-Partrisanen weiterhin praktiziert. Andrerseits übten die vor den Tito-Partisanen geflüchteten Domobranci und ihre Nachkommen auf die Politik des Rates der Kärntner Slowenen einen Einfluss aus.15 Dieses Faktum dürfte auch heute für die besonders völkisch-nationale Minderheitenpolitik des Rates der Kärntner Slowenen verantwortlich sein.
7. Rudolf Maister und der Grenzstreit mit Kroatien…
Der sinnlose Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien und das Säbelrasseln um den kleinen Grenzstreifen sind ein weiterer Beweis dafür, dass wir von einer stabilen Friedensregion Alpen-Adria noch weit entfernt sind.16 Auch bei dieser Auseinandersetzung wird der kämpferische Geist des Generals strapaziert: „Es ist gut, dass wir in den ersten Jahren des eigenständigen Staates Slowenien wieder die Auferstehung des Rudolf Maister ermöglichten und auf seinem Vorbild die slowenische Heimatliebe basiert. (…) Wir müssen uns daran gewöhnen, wie Maister zu handeln. Nicht mit Worten, sondern mit Taten vorgehen. Wenn wir bei der ersten Missachtung der Absprache vom 26.6.1991 betreffend den Grenzverlauf mit Kroatien wie Maister gehandelt hätten, wäre der Grenzübertritt in Dragonja um mehrere zehn Meter auf der anderen Seite“, davon ist der Schriftsteller und Politiker (LDS) Tone Partljič überzeugt.17
Die beiden EU-Staaten arbeiten mit einem verstärkten Einsatz ihrer Geheimdienste. Im Jahre 2018 erhöhte Slowenien die Zahl der Nachrichtendienstler, die in Kroatien zum Einsatz gekommen sind.18 Kroatien und Slowenien befänden sich im Kalten Krieg, urteilte der bekannte Journalist Borut Mekina.19 Noch im Jahre 2015 wurde vermutet, dass in den bilateralen Konflikt alte Strukturen des kommunistischen Geheimdienstes UDBA verwickelt sind, die weiterhin auf die slowenische Politik einen Einfluss ausübten.20 Fünf Mitarbeiter der „ehemaligen verbrecherischen“ UDBA waren in dieser Zeit slowenische Parlamentsabgeordnete.21
Dieser UDBA-Einfluss trifft auch auf Kärnten zu. Die österreichische Botschaft in Laibach ertappte den neuen slowenischen Geheimdienst SOVA noch im Jahre 2015 bei einem Spionageversuch.22 Ehemalige Mitarbeiter des slowenischen Geheimdienstes UDBA sind in Kärnten weiterhin in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aktiv und einflussreich.
8. Kärnten und die Wiederholung der Geschichte…
Der ideologische allslowenische Konflikt sorgt auch in der slowenischen Minderheit in Kärnten für Unruhe. Auch in Kärnten gibt es unter den Slowenen keine Versöhnung: „Beschämt können wir feststellen, dass die deutsche und slowenische Seite in Kärnten den Weg der Versöhnung beschreiten, wir Slowenen finden aber diese Versöhnung nicht“, resümierte der Chefredakteur der Wochenzeitung „Novice“ Emanuel Polanšek. Eine öffentliche Auseinandersetzung (Leserbriefe), die insbesondere zwischen dem Pfarrer Janko Krištof und dem Kärntner Partisanenverband (Andrej Mohar) stattfand, wurde vom Chefredakteur gestoppt, da die verhärteten Fronten keine Diskussionskultur erwarten ließen.23 Ein vom Pfarrer Krištof angeregtes Dialogforum kam nicht zustande.
Das Meister-Syndrom verstärkt diese spannungsgeladene Atmosphäre. Aus Anlass des 100. Jahrestages der Kärntner Volksabstimmung feierten Kärntner Slowenen auf Initiative des Kärntner Partisanenverbandes am 8.10.2020 in Slowenien die Maister-Kämpfer und wollten damit demonstrieren, dass die slowenische Volksgemeinschaft in Kärnten am 10. Oktober nichts zu feiern habe. Zu den prominenten Vorstandsmitgliedern des Partisanenverbandes gehört auch der amtierende Bürgermeister Franc Jožef Smrtnik. Konfrontationen werden von ihm nicht abgelehnt.24
Der Partisanenverband demonstrierte gemeinsam mit den Klubs slowenischer Studentinnen und Studenten am 10.10.2020 gegen die offizielle 100- Jahrfeier der Volksabstimmung. Es wurde also die Position des Generals Rudolf Maister vertreten.
Das Konfliktthema Rudolf Maister soll in Hinkunft auch an Kärntner Schulen thematisiert werden (s.o.). Damit gefährdet man die zukünftige Friedensbildung im Alpen-Adria-Raum.
Im Jahre 2001 kritisierte Rudi Vouk das „übergroße Harmoniebedürfnis“ der Volksgruppe und trat als Vorsitzender des Volksgruppentages zurück. In weiterer Folge vertrat der Volksgruppenpolitiker die Ansicht, dass man „auch über demonstrative Aktionen“ nachdenken müsste.25
In der Zeit vor und nach der Lösung der Ortstafelfrage im Jahre 2011 wurden zahlreiche zweisprachige Ortstafeln (Bleiburg…) beschmiert und beschädigt. Im Jahre 2008 beklagte sich die slowenische Einheitsliste über „einen Vandalenakt“ an der Ortstafel in Hof bei St. Michael ob Bleiburg. Auch ein Wegweiser wurde in den Bach geworfen. Die Einheitsliste hoffe, dass die Polizei die Täter baldigst finden wird. In der Gemeinde Feistritz ob Bleiburg habe sich die Intoleranz gegenüber der Zweisprachigkeit erhöht, konstatierte die Einheitsliste besorgt.26 Als Täter überführt wurden danach mehrere slowenische Jugendliche, von denen einige Eltern selbst Spitzenmandatare der Einheitsliste sind. Ungeachtet der Schwere dieses Deliktes (Schwere Sachbeschädigung) war es den Tätern durch die „offensichtlich ausgezeichneten Kontakte zur Justiz“ möglich, einen außergerichtlichen Tatausgleich zu erreichen, weshalb sie nicht als vorbestraft gelten.27
Die slowenischen Jugendlichen dürften als Agents provokateurs fungiert haben, eine Vorgangsweise, die in den 1970er Jahren (s.o.) erfolgreich zum Schaden der Mehrheitsbevölkerung und des Landes Kärnten praktiziert worden ist.
Ende 2020 begann wieder eine offensichtlich geplante Schmieraktion, beginnend mit Klagenfurt, der „Stätte der Kärntner Einheit“ im Landhaushof28, der KHD-Gedenkstätte für Hans Steinacher und wurde zu Jahresbeginn 2021 mit dem Beschmieren von zweisprachigen Ortstafeln (Bleiburg…) fortgesetzt. Die Abgeordnete Olga Voglauer (Die Grünen), Slowenien und die slowenischen Zentralorganisationen protestierten unverzüglich (nur) gegen die Beschmierung von zweisprachigen Tafeln.
Hinsichtlich der Schuldzuweisungen dürfte man die Erfahrungen aus der Geschichte nicht ignorieren.
9. Kärnten am Rande des Bürgerkriegs…
Im Zusammenhang mit Irredentismus und Gewalt ist auch der slowenische Geheimdienstterror in den 1970er Jahren zu beachten. Der slowenische Politiker Janez Janša, derzeit Regierungschef, trat im Jahre 2010 mit der Information an die Öffentlichkeit, dass der damalige Terror in Kärnten vom slowenischen Geheimdienst UDBA unter Mitwirkumg von Kärntner Slowenen organisiert worden sei. Demnach hätten auch hochrangige Funktionäre des Rates der Kärntner Slowenen an Sprengstoffanschlägen mitgewirkt. Der Verdacht wurde von den slowenischen Tätern aber auf die deutschsprachige Mehrheitsbevölkerung gelenkt. Janša: „Die slowenische UDBA organisierte die Schmieraktionen auf slowenische Denkmäler in Kärnten, wir aber haben dann als Kinder aus den Schulen in Laibach gegen diese Schmieraktionen protestiert, die deutschen Chauvinisten in Kärnten zugeschrieben wurden“.29
Faktum ist, dass sich der slowenische Geheimdienst sogar an der gewaltsamen Entfernung zweisprachiger Ortstafeln anlässlich des Kärntner „Ortstafelsturms“ im Jahre 1972 beteiligte und mit Unterstützung aus Kärnten Terror und Anschläge in den 1970er Jahren ausführte, um damit „deutsche Chauvinisten“ zu belasten.30
Agents provokateurs verfolgten eine Strategie der Spannung und erzeugten ein Klima der Angst. In Kärnten sollten „bürgerkriegsähnliche Unruhen provoziert werden, um einen Vorwand für ein bewaffnetes Einschreiten zu konstruieren. Zahlreiche Österreicher waren in das nachrichtendienstliche Netzwerk der UDBA eingebunden und lieferten jahrelang unbehelligt Informationen aus sensiblen Bereichen der Exekutive und des Heeres“. Die Grenze zwischen Verbalradikalismus und Terrorismus sei gleitend verlaufen, der ethnische Konflikt in Kärnten sei von außen gesteuert und befeuert worden.31
Diese verwerfliche Kampfstrategie wurde offensichtlich von stalinistischen Partisanen übernommen. Erst am 17.5.2010 wurde von der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg der russische Partisan Vasilij Kononov endgültig als Kriegsverbrecher verurteilt. Kononov betrat am 27.5.1944 mit seiner Einheit, gekleidet in deutsche Uniformen, das Dorf Mazie Bati (Lettland) und ließ u.a. drei unbewaffnete Frauen in brennende Häuser werfen; darunter auch die im neunten Monat schwangere Frau des Bauern Meikul Krupnik.32 Dazu ein Hinweis: Auch noch kurz vor Kriegsende haben Tito-Partisanen am 15.1.1945 den Weiler Hinje in Suha krajina „ausgeraubt, gesprengt und völlig niedergebrannt“. Die einheimische Bevölkerung wurde mitten in der Nacht bei klirrender Kälte aus den Häusern gejagt und ihre Anwesen wurden bis auf die Grundmauern niedergebrannt.33 Das war kein Einzelfall.
In den 1990er Jahren fanden in Kärnten Brandanschläge auf Einrichtungen der slowenischen Minderheit statt. In dieser Zeit gab es auch Drohbriefe an slowenische Medien: „Das nächste Mal wird es Tote geben (…) Rotfront verrecke! (…) Heil Hitler!“. Nazis drohen den Slowenen in Kärnten mit Ermordungen, hieß es in ausländischen Medien. Der damalige slowenische Staatspräsident Milan Kučan protestierte scharf bei der österreichischen Regierung gegen den „Terror gegen die Minderheit“. Am 7.12.1996 traf er in Graz sogar mit dem damaligen Parlamentspräsidenten Heinz Fischer zusammen. Von einem „rassistischen Terror“ sprach der Klubobmann der Südtiroler Volkspartei Hubert Frasnelli. Slowenenvertreter erinnerten an den Bombenterror der 1970er Jahre. (Dass Slowenen selbst als Täter bzw. Provokateure fungierten, war zu dieser Zeit noch nicht bekannt). Endlich müssten nun alle offenen Punkte aus dem Staatsvertrag erfüllt werden, wird von Slowenenfunktionären gefolgert. Nanti Olip, damals Obmann des Rates der Kärntner Slowenen, stellte dezidiert fest, dass das Verbrechen einen „klaren politischen Hintergrund“ habe.
Die internationale Öffentlichkeit war über die „slowenischfeindliche Gewalt faschistischer und rassistischer Kräfte“ besorgt. Solidaritätserklärungen und Proteste kamen aus fast ganz Europa.
Das Image Kärntens war extrem ruiniert.
Als Täter (oder Agent provokateur?) wurde ein slowenischnationaler Erzieher ausgeforscht.
Kärnten und der Staat Österreich unternahmen trotz Auffordrung nichts, um das ramponierte Image Kärntens einigermaßen wieder herzustellen.34
Im Juli 2010 räumte die Polizei ein Sprengstoffdepot in Bleiburg/Schilterndorf.35 Details dazu wurden nicht öffentlich thematisiert.
Im September 2019 wurden zwei Männer aus dem Bezirk Völkermarkt zu bedingten Haftstrafen verurteilt. Laut Staatsanwalt Helmut Jamnig wurden bei ihnen im August 2018 15 Kilo TNT, 56 Kilo Patronen, 19 Kilo Kriegsmunition und mehr als 180 Kilo sonstige Munition, dazu Maschinenpistolen, Maschinengewehre sowie weitere Waffen gefunden.36
Ende 2020 wurde in Niederösterreich das Waffenlager eines Neonazis entdeckt. Dort sollte eine „deutsche Miliz“ eingerichtet werden. Die Ermittlungen zu diesem „hochbrisanten Fall“ laufen auf Hochtouren, wurde der Öffentlichkeit mitgeteilt. Innenminister Karl Nehammer: „Der entschlossene Kampf gegen jede Form von Extremismus, egal, ob politisch oder religiös motiviert, ist Teil des aktuellen Regierungsübereinkommens“.37
In Kärnten wurde dieser „entschlossene Kampf“ in der Vergangenheit vermisst.
Alle Extremisten arbeiten offensichtlich nach denselben Methoden. Es wäre wichtig gewesen, den Terrorismus im Kärnten der 1970er Jahre thematisiert zu haben. Aus den ebenfalls hochbrisanten Fällen in Kärnten hätte man für die Gegenwart und Zukunft staatspolizeiliche Lehren ziehen können. Dazu zwei Beispiele: Im Februar 2021 wurde ein Ex-Mitarbeiter der iranischen Botschaft in Wien im belgischen Antwerpen zu 20 Jahren Haft verurteilt. Der Diplomat plante einen Bombenanschlag auf Oppositionelle in Paris und war Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes. Der für den Anschlag bestimmte Sprengstoff wurde vom ihm transportiert.38 Vergleichsweise ist zu bedenken, dass in den 1970er Jahren in den damals jugoslawischen Generalkonsulaten in Klagenfurt und Graz Funktionäre des slowenischen Innenministeriums, also Mitarbeiter des Geheimdienstes UDBA, fungierten. Konsul Branko Č. war beispielsweise neun Jahre in Klagenfurt tätig und befasste sich mit „Minderheitenfragen“. In der Zeit des Bomben- und Geheimdienstterrors in Kärnten wurde von ihm die „technische Ausrüstung“ transportiert.39
Ab dem Jahre 1986 fanden in Graz Slowenisch-Kurse für Soldaten des österreichischen Bundesheeres im Hinblick auf die Krisensituation in Jugoslawien und den erwarteten Flüchtlingsstrom statt. Die Teilnehmer wurden von Anfang an vom slowenischen Geheimdienst observiert und einige Teilnehmer erfolgreich als Mitarbeiter angeworben.40
Man müsste daher aus den Erfahrungen der 1970er Jahre die Lehren ziehen und diese nicht in Vergessenheit geraten lassen. Von einer vergleichbaren Taktik der Herkunftsstaaten ist nämlich auch bei gegenwärtigen Flüchtlingsströmen auszugehen.
Ein aktueller Kommissionsbericht ergibt „gefährliche Lücken“ im österreichischen Geheimdienst. Derartige gefährliche Lücken hätte man schon im Zusammenhang mit dem Bomben- und Geheimdienstterror im Kärnten der 1970er Jahre feststellen und beheben können, zumal diesbezügliche Berichte des slowenisch-jugoslawischen Geheimdienstes UDBA seit Jahren im Slowenischen Staatsarchiv öffentlich zugänglich sind. Es wäre zweifellos auch für die heutige Terrorismusbekämpfung gut zu wissen, wie es möglich war, dass in den 1970er Jahren vom österreichischen Innenministerium auch der Beamte M.M. mit dem Auftrag nach Kärnten geschickt worden ist, informative Untersuchungen in der damaligen Staatspolizei in Klagenfurt und bei verschiedenen Gendarmeriedienststellen im Grenzbereich zu leiten und einen „objektiven Bericht“ über den slowenischen Aktionismus zu erstellen. Wie seit Jahren bekannt, war aber M.M selbst UDBA-Mitarbeiter und Titos verlässlichster Spion.41
1 Andreas Moritsch, Austria Slovenica, Klagenfurt 1996, S. 23, 54.
2 Vladimir Wakounig, Verstrickt in den eigenen Rassismus: Minderheiten in einer anderen Rolle, in: Antirassistische Pädagigik in Europa (Hsg.: Anna Aluffi-Pentini, Peter Gstettner, Walter Lorenz, Vladimir Wakounig), Klagenfurt 1999, S. 154, 155.
3 https://www.rtvslo.si/20-v-2020/1920-stoletnice-pogodb-in-odloci…, 23.12.2020
4 Marjan Linasi, Koroški partizani, Klagenfurt 2010, S. 52, 283, 284.
5 Teodor Domej, Nedelja, 23.9.2018, S. 5.
6 http://patriot.si/divizija-rudolf-maister/, Abruf: 9.4.2018.
7 https://siol.net/novice/slovenija/pahor-noce-vec-vard-v-svoji-palc…, 2.9.2020; https://volksgruppen.orf.at/slovenci/meldungen/storis/3021786/, 15.11.2019;
Mladina, 22.5.2020, S. 7; Reporter, 7.10.2019, S. 14.
8 Mladina, 25.5.2020, S. 20.
9 https://siol.net/novice/slovenija/stajerska-varda-na-juzni-meji-nadzirala-mejo-policija-…, 22.10.2019.
10 https://www-casnik.si/trideset-let-imamo-samostojno-drzavo-obje…, 26.12.2020.
11 Demokracija, 26.11.2020, S. 24 ff.
12 Slovenija – Österreich, Herausgeber: Jan Brousek, Daniel Grafenauer, Werner Wintersteiner, Daniel Wutti, Klagenfurt 2020, S. 160, 164, 165, 166.
13 Mladina, 23.12.2020, S. 36.
14 Demokracija, 15.10.2020, S. 44.
15 Der slowenische, katholische Migrant Dr. France Cigan habe u.a. Matevž Grilc für die nationalpolitische Arbeit geschult. Quelle: Janko Kulmesch, Novice, 22.1.2021, S. 7.
16 Hinweis: Am 16./17. 3.1947 wurden im Grenzbereich Slowenien-Kroatien über 31 nationalbewusste Slowenen von kroatischen und slowenischen Geheimdienstlern ermordet, da sie die heutige kroatische Gemeinde Štrigova für die SR Slowenien reklamierten. Quelle: Reporter, 20.3.2017, S. 42.
17 Večer, 12.12.2009, S. 11.
18 https://www.dnevnik:si/1042796879/slovenija/bo-cerarjeva-neodzivnost-na-stavko-v-sovi-povzrocila-kolaps-, 5.1.2018.
19 Mladina, 31.7.2015, S. 17.
20 Demokracija, 30.7.2015, S. 13.
21 Druzina, 14.12.2014, S. 9.
22 https://derstandard.at/20000021829741/Bericht-Slowenien-wollte-Oesterreichs-Botschaft-bespitzeln, 7.9.2015.
23 Novice, 7.12.2017, S. 4.
24 Bürgermeister Smrtnik, Bad Eisenkappel: „In den letzten 15 oder 20 Jahren gab es fast keine Konfrontationen und keine Demonstrationen mehr und das lähmt die slowenische Volksgruppe“. Quelle: Kärnten liegt am Meer, 2012, S. 379. Franc Smrtnik aus Zell-Winkl, offensichtlich ein Vorfahre des heutigen Bürgermeisters, wurde unmittelbar nach dem Krieg von der jugoslawischen Armee als Bürgermeister eingesetzt. Nach Abzug der Jugoslawen wurde er von den Engländern wieder abgesetzt. Quelle: AS 1931, Schachtel 1182, fol. 756.
25 Kärntner Tageszeitung, 18.5.2001, S. 9; Novice, 1.10.2004, S. 6.
26 Novice, 7.3.2008, S. 4.
27 Titos langer Schatten, S. 195.
28 Dieses Denkmal wurde bereits im Jahre 2018 beschmiert. Die Slowenische Presseagentur (STA) stellte damals dazu fest, dass das Denkmal dem Kampf für die Einheit Kärntens gewidmet ist. Deshalb sei das Denkmal für die slowenische Volksgruppe nicht akzeptabel.
Quelle: https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/2938505/, 28.9.2018.
29 Kleine Zeitung, 26.5.2010, S. 30.
30 Alfred Elste – Wilhelm Wadl, Titos langer Schatten. Bomben- und Geheimdienstterror im Kärnten der 1970er Jahre. Unter Mitarbeit von Hanzi Filipič und Josef Lausegger, S. 754.
31 https://www.eurobuch.at/buch/isbn/3900531978.html, Abruf: 15.9.2018.
32 Josef Lausegger, Slowenische Landeswehr, in: Archivwissen schafft Geschichte, Klagenfurt 2014, S. 761.
33 Miran Černec, Ein Blick zurück, Demokracija, 11.1.2018, S. 70.
34 Siehe beispielsweise die parlamentarische Anfragebeantwortung des Innenministers: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XX/J/J_02088/index.shtml, Abruf: 4.2.2021.
Večer, 7.12.1996, 13.12.1996; Slovenski vestnik, 12.12.1996; Naš tednik, 13.12.1996.
35 Alfred Elste, „Sprengten die Überlandleitung bei St. Kanzian“. Interview mit Matzevž Grilc, „Diese Vorwürfe sind ein Wahnsinn“. Quelle: Kleine Zeitung, 26.3.2010, S. 30,31.
Matevž Grilc „Ortstafelsturm war eine irre Demütigung“, Interview. Quelle: Kleine Zeitung, 27.3.2010, S. 28,29.
Rosina Katz-Logar, Jochen Bendele, War Sprengstoff-Depot Lager für Attentate?
Hintergrund: Wir bringen die Wahrheit ans Licht. Quelle: Kleine Zeitung, 26.7.2010, S. 14,15.
36 Kleine Zeitung, 24.9.2019, S. 24.
37 https://noe.orf.at/stories/3082199/, 23.12.2019; Kronen Zeitung, 16.12.2020, S. 20; 1.1.2021, S. 26.
38 Kleine Zeitung, 5.2.2021, S. 8; Kronen Zeitung, 5.2.2021, S. 21.
39 Titos langer Schatten, S. 571, 610.
40 Josef Lausegger, Die Steiermark und der jugoslawische Geheimdienst „UDBA“, in: JIPSS – Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies, Graz, Nr. 2/2015, S. 51-58.
41 Kleine Zeitung, 11.2.2021, S. 2, 3; Titos langer Schatten, Klagenfurt 2015, S. 712, 717.