Wahlen: Politik für den Mutterstaat (Slowenien) oder/und für den Wohnsitzstaat (Österreich).

Am Beispiel von Angelika Mlinar, Karl Smolle, Olga Voglauer…

 

26.5.2019 Europawahlen – Die ehemalige Nationalratsabgeordnete, scheidende österreichische EU-Abge-ordnete Angelika Mlinar (Neos) tritt bei der EU-Wahl für die slowenische liberale SAB-Partei an. Als Kärntner Slowenin wisse sie um „den Kampf für Slowenien“ erklärt die bisherige österreichische EU-Politikerin und kritisiert die österreichische Politik.1

 

 
Mlinar erhält für die Wahl ins EU-Parlament nicht die erforderliche Stimmenanzahl.

 

Damit vollzog die Politikerin einen fliegenden politischen Wechsel von Österreich zu Slowenien. Bei einer Pressekonferenz in Laibach forderte sie die österreichische Regierung auf, die Grenzkontrollen aufzuheben. Sie habe „als EU-Abgeordnete“ Bundeskanzler Sebastian Kurz in einem offenen Brief erneut aufgefordert, die vollkommen unbegründeten Grenzkontrollen zwischen Österreich und Slowenien abzuschaffen. Dies schade vor allem der slowenischen Wirtschaft, kritisierte die Spitzenkandidatin der liberalen SAB-Partei Sloweniens. Die Slowenen werden damit „wieder als zweitklassige europäische Bürger“ behandelt, so Mlinar.2

 

Bereits im letzten Mandat wurde die österreichische EU-Abgeordnete als „neunte slowenische Abgeordnete“ gehandelt.

 

Einige Parteien in Slowenien vertraten aber die Meinung, dass Angelika Mlinar „nicht Eine von uns“ sei. Dazu Mlinar: Ich hoffe sehr, dass ihr mich als Eine von euch akzeptiert. Ich bin eine Slowenin, habe slowenische Eltern. Ich habe zwar keine slowenische Staatsbürgerschaft, dies aber nur deshalb, weil es halt nach den Gesetzen der europäischen Staaten sehr selten ist, eine doppelte Staatsbürgerschaft zu haben. Wenn dies möglich wäre, würde ich sofort eine slowenische Staatsbürgerschaft annehmen. Ich meine, dass ich gute Möglichkeiten hätte, dass man mir die slowenische Staatsbügerschaft verleiht“. Österreich sei jener Staat, der den rechtsgerichteten Populismus erfunden hat, berichtete die EU-Kandidatin in Slowenien. 3

 

Die slowenische Sprache bereite ihr einige Probleme und sie könne in entscheidenden Augenblicken für ihre Gedanken nicht die treffenden Worte finden, wurde aus fachlicher Sicht festgehalten. 4

 

Auch der ehemalige slowenischnationale Abgeordnete der österreichischen Grünen, Karel Smolle, wechselte im Jahre 1991 in die Politik Sloweniens und fungierte als Slowenischer Botschafter in Wien. Für uns Kärntner Slowenen sei die Sehnsucht nach einem selbständigen Staat ein außergewöhnlich schöner Augenblick ge-wesen, erklärte Smolle im Jahre 2019. Er habe das (österreichische) Abgeordnetenmandat zurückgelegt und sei ein guter Informant für Slowenien geworden. Karel Smolle zur Idee des slowenischen Präsidenten Pahor, den 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung gemeinsam zu feiern: Was werden wir feiern? Wenn schon, dann müsste Pahor dort sagen, dass wir den Rückgang der slowenischen Sprache in Kärnten von einem Drittel auf 6 oder 7 Prozent nicht feiern können. Wird er fragen, wo nun diese Slowenen geblieben sind? (…) Die slowenische Souveränität ist eine Verpflichtung und Verantwortung, die Feier dieses 100 Jahre alten Ereignisses ist aber ein Wahnsinn(auch: Blödsinn, Verrücktheit). Es fehlten laut Smolle noch 300 bis 400 zweisprachige Ortstafeln. Als ersten Schritt macht Karel Smolle dem Staat Slowenien den Vorschlag, endlich Mut zu fassen und den Österreichischen Staatsvertarg 1955 zu ratifizieren. Man müsste nur ein Stück Papier nach Moskau schicken, so Smolle.5

 

Nach Angelika Mlinar und Karel Smolle habe nun Olga Voglauer, die in ihrer Heimatgemeinde Ludmannsdorf als Gemeinderätin der slowenischen Einheitsliste fungiert, als dritte Politikerin aus den Reihen der slowenischen Volksgruppe die Chance, in das österreichische Parlament gewählt zu werden, berichtet der ORF (slowenische Abteilung).6 Sie kandidiert „als Teil der slowenischen Volksgruppe“.7 Bereits im Jahre 2008 beschäftigte sich die slowenische Politikerin in Kärnten in ihrer Diplomarbeit mit der wachsenden Bedeutung der Vernetzung mit dem slowenischen Zentral- und Wirtschaftsraum (also mit Slowenien) als Motor für die Wirtschaftsentwicklung des Südkärntner Grenzraumes. Demnach partizipieren die Kärntner SlowenInnen getrennt von den allgemeinen öffentlichen Strukturen und wollen sich verstärkt selbständig in die Regionalentwicklung einbringen. Die Burgenland-KroatInnen hingegen partizipieren über die öffentlichen und mehrheitlichen Strukturen an der Regionalentwicklung“, so Voglauer.8

 

Diese Kärntner-Slowenischen Aktivitäten werden zunehmend im Einvernehmen mit dem slowenischen Staat umgesetzt. So fungiert die grenzenlose Landwirtschaft „AgraSlomak“ unter der Obhut des slowenischen Landwirtschaftsministeriums und es ist somit eine Plattform mit dem Staat Slowenien gegeben.9 Das bedeutet also, dass eine Trennung von öffentlichen Strukturen in Kärnten (Landwirtschaftskammer…) vorgenommen und gleichzeitig eine Anbindung an Strukturen Sloweniens geknüpft wird. Olga Voglauer, Kandidatin bei den österreichischen Nationalratswahlen 2019, ist „unter der Obhut des slowenischen Landwirtschaftsministeriums diesbezüglich im Einsatz. Die AgraSlomak soll laut der Gründungsurkunde zu einem bedeuenden Faktor einer Verbindung bäuerlicher Strukturen des Grenzauslands im Hinblick auf den gemeinsamen slowenischen Raum werden. Das bedeutet also, dass im landwirtschaftlichen Bereich ein Vereinigtes Slowenien praktiziert wird.

 

Die Obsorge Sloweniens für die benachbarten slowenischen Minderheiten ist bekanntlich im Artikel 5 der slowenischen Verfassung vorgesehen. Auch die slowenische Minderheit selbst sieht sich als Teil der slowenischen Nation und erkennt Slowenien gewissermaßen auch als ihren Mutterstaat an“.10

 

Diese Rolle slowenischer Spitzenpolitiker in Kärnten erscheint aus staatspolitischer Sicht von Interesse. Eine Verschränkung mit der slowenischen Nation kann man aber auch in der Beamtenschaft und im diplomatischen Dienst finden. Innerhalb der übrigen österreichischen Minderheiten sind politische Wechsel vom Wohnsitzstaat Österreich zum jeweiligen „Mutterstaat“ nicht gegeben. Es ist aber davon auszugehen, dass Angehörige der neuen Minderheiten (Türken, Serben, Polen…) dem Kärntner Beispiel folgen und eine Kooperation mit ihren Mutterstaaten anstreben werden.

 

Spätestens dann werden die österreichischen Parteien diese Loyalitätsprobleme thematisieren müssen. Der geistige Vater des österreichischen Volksgruppenrechts, Theodor Veiter, geht übrigens davon aus, dass für Volksgruppen, wenn sie einen Anspruch auf Selbstbestimmung haben, hinsichtlich der Loyalitätspflicht im Sinne der Gesetzestreue der Hochverratsparagraph auszuklammern sei.11
 

 

1 https://reporter.si/clanek/slovenija/angelika-mlinar-kot-koroska-slovenka-vem-kaj-po…, 5.5.2019.
2 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/meldungen/stories/2981409, 14.5.2019.
3 https://www.24ur.com/novice/slovenija/angelika-mlinar.html, 21.5.2019.
4 Prof. Igor Žagar. Quelle: https://www.vecer.com/soocenje-najprej-sem-bil-sokiran-in-te-ljudi-bi-vi-poslali-v-ev…, Abruf: 17.5.2019.
5 https://www.rtvslo.si/slovenija/pogled-iz-zamejszva-je-nov-dan-prinesel-uresnicitev-o…, 25.6.2019.
6 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/2981388, 14.5.2019.
7 Kärntner Krone, 9.7.2019, S. 16.
8 Olga Voglauer, Chancen und Grenzen der Minderheitenbeteiligung in der Regionalentwicklung, in: Kärntner Jahrbuch für Politik 2008, S. 277 bis 290.
9 Volksgruppen.orf.at/slovenci, 16.5.2017.
10 Diese Festellung trifft der slowenische Fachexperte Dejan Valentinič. Quelle: Minderheiten und Mutterstaaten: Schutz oder Intervention? Klagenfurt 2015, S. 217. Herausgeber dieser Publikation sind: Gerhard Hafner, Heinrich Neiser, Martin Pandel, Günther Rautz.
11 Theodor Veiter, Das Recht der Volksgruppen und Sprachminderheiten in Österreich, Wien 1970, S. 109. Siehe dazu auch Samuel Salzborn, Ethnisierung der Politik, Frankfurt/Main 2005, S. 146.