Minderheitenschule in Kärnten: Eine Farce?

19.3.2019  Schule – Seit genau 60 Jahren gibt es in Kärnten das Minderheiten-Schulgesetz. Im Geltungsbereich dieses Gesetzes wird derzeit an 61 Volksschulen in Deutsch und Slowenisch unterrichtet; zwei Volksschulen in Klagenfurt befinden sich außerhalb des Geltungsbereiches.

 

Die Qualität des zweisprachigen Unterrichts sei seit Jahren ein heikles Problem. Man müsse nämlich den Spagat zwischen Kindern mit slowenischer Muttersprache und jenen, die ohne Vorkenntnisse sind, schaffen, so Sabine Sandrieser, Leiterin der Abteilung Minderheitenschulwesen in der Bildungsdirektion Kärnten.1 Der Slowenischunterricht an den Pflichtschulen sei eine Farce, urteilt Florijan Lipuš, der selbst als zweisprachiger Lehrer tätig war.2
Das friedliche Miteinander sei für Bürgermeister Franc Jožef Smrtnik ein Schlafen und Sterben. Man sei sich dessen nicht bewusst, dass heute „in Eisenkappel von 65 Kindern im Kindergarten nur fünf daheim Slowenisch sprechen. In der Schule sind alle zum Slowenisch-Unterricht angemeldet, sie lernen aber sehr wenig. (…) Die einseitige Integration in die Parteien schadet der Volksgruppe. (…) Die slowenische Sprache müsste heute in der Öffentlichkeit etwas Normales sein.3

 

Auch unter Absolventen des Bundesgymnasiums für Slowenen findet man Maturanten mit einer mangelhaften Beherrschung der slowenischen Sprache, obwohl sie vorher den slowenischen Kindergarten und eine zwei-sprachige Volksschule besucht haben.4

 

Die Qualität des Slowenischen wachse durch den Zuzug von derzeit 30 Schülerinnen und Schülern aus dem Mutterstaat Slowenien, urteilte die Direktorin der Volksschule in Bleiburg, Mateja Messner. Die Situation in Bleiburg habe sich hinsichtlich der slowenischen Sprache daher verändert, es bestünde heute ein „Klein-Laibach mitten in einem österreichischen Ort, bemerkte dazu Redakteurin Ana Grilc.5
 

 

Die slowenische Sprachkompetenz müsste laut Inspektorin Sandrieser dadurch erhöht werden, dass alle Schulen tatsächlich im selben Ausmaß in deutscher und slowenischer Sprache unterrichten, denn nur dann, wenn man die Gesetze wirklich einhält, wird das Erlernen der slowenischen Sprache gegeben sein.6
 

 

Anmerkung: Aus slowenischnationaler Sicht sind im Minderheitenschulwesen äußerst positive Schritte gesetzt worden. Seit 1.1.2019 ist die slowenische Landesschulinspektorin nämlich nicht nur für den Slowenisch-Unter-richt, sondern für alle Schulen im Geltungsbereich des Minderheitenschulwesens zuständig. Sandrieser bleibt somit in Kärnten als einzige Landesschulinspektorin bestehen, die übrigen Inspektoren fungieren nun als Qualitätsmanager.7
Auch die Kritik dagegen, dass in Hinkunft deutschsprachige Lehrerinnen und Lehrer in Südkärnten nicht mehr zu Direktoren bestellt werden, ist überraschend verstummt. Für zweisprachige Direktorenbesetzungen setzte sich auch der einflussreiche, oberste Lehrer- Personalvertreter, Stefan Sandrieser, erfolgreich ein.8
 

 

Eine Parlamentsdelegation Sloweniens, die für Fragen der Slowenen im benachbarten Ausland zuständig sei, besuchte am 1.3.2019 mehrere Schulen in Kärnten. Es wurde die Situation vor Ort im Zusammenhang mit den Bemühungen um den Bestand und die Entwicklung der slowenischen Sprache „geprüft“. Die Vorsitzende der Parlamentskommission, Ljudmila Novak, versprach, dass die gewonnenen Erkenntnisse von der zuständigen Parlamentskommission der Republik Slowenien unter dem Titel Die Problematik des zweisprachigen Schulwesens und die Verwendung der slowenischen Sprache in der örtlichen Umgebung im österreichischen Kärnten unverzüglich erörtert werden. Zu dieser Sitzung wurden auch politische Vertreter der Kärntner Slowenen eingeladen. Die Zuständigkeit der Leiterin der Minderheitenschulabteilung, Sabina Sandrieser, sei auch für eine Kooperation mit dem Ministerium der Republik Slowenein gegeben.9

 

In Kärnten werden derzeit rund 300 Schüler in eigenen Deutsch-Förderklassen unterrichtet, damit sie dem Unterricht in deutscher Sprache folgen können. Auch im Kärntner Minderheitenschulwesen ist das entsprechende Problem präsent, dass angemeldete Kinder ohne Slowenischkenntnisse zur Hälfte der Unterrichtszeit in slowenischer Sprache unterrichtet werden müssen, diese Sprache jedoch nicht verstehen. Es ist davon auszugehen, dass die slowenischsprachigen Lehrer diese gesetzliche Verpflichtung ignorieren, da ansonsten für den Großteil der Kinder die halbe Unterrichtszeit verloren ginge und sie somit die Lernziele nicht erreichen könnten. In diesem Fall würden die Anmeldungen zum zweisprachigen Unterricht natürlich drastisch zurückgehen und somit die Position der slowenischsprachigen Lehrer in Südkärnten schwächen. Aus nationalpolitischen Gründen ist aber eine starke slowenischsprachige bzw. zweisprachige Lehrerschaft in Südkärnten von größter Bedeutung. Die Regelung, dass deutschsprachige (als „einsprachig“ abqualifizierte), Lehrer nicht mehr Schulleiter werden können, schwächt darüber hinaus das Interesse dieser Kreise, in Südkärnten einen Lehrer-posten anzustreben. Vergleichsweise wurden vor 100 Jahren, als die Zone A über ein Jahr unter slowenisch-jugoslawischer Verwaltung stand, alle Lehrer ohne Slowenisch-Kenntnisse sowie „Deutschtümler“ entlassen und durch slowenisch-bewusste Lehrer ersetzt.10

 

Ein deutscher Politiker schlug vor, in den Schulen vermehrt andere lebende Fremdsprachen zu lehren, die auch Kinder in Deutschland als Umgangssprache pflegen. Gemeint seien damit Polnisch, Russisch oder Türkisch. Das sei eine rein populistische Forderung auf dem Rücken der Kinder, sagt dazu Bildungsminister Heinz Faßmann: Sollte diese Diskussion auch zu uns kommen – was ich mir nicht vorstellen kann – würde ich dem Vorschlag eine klare Absage erteilen, so Faßmann.11
Perfekt Englisch oder defekt mehrsprachig?, lautete das Thema eines Symposiums zur Sprachenvielfalt in Europa.12 Da das Kärntner Minderheitenschulgesetz in der Praxis nachweislich seit jeher nicht umsetzbar ist und Insider sogar von einer „Farce“ sprechen, wird man sich mit dem Thema „Perfekt Englisch oder defekt mehrsprachig“ auch einmal in Kärnten beschäftigen müssen.

 

Aus nationalpolitischen Erwägungen ist mit einer kritischen, fachlichen Beurteilung der Minderheitenschulsituation nicht in Bälde zu rechnen. Zweisprachige Personen werden nämlich seit jeher, auch bei Volkszählungen, grundsätzlich der slowenischen Minderheit zugerechnet. Dies ermöglicht eine Assi-milation von der Mehrheitsbevölkerung zur slowenischen Minderheit. In slowenischen Medien wird diesbezüglich der bekannte Kärntner Politiker Luka Kaiser als Beispiel angeführt. Aber auch Schüler aus Slowenien, die in Kärnten Minderheitenschulen besuchen, stärken die Minderheit und setzen sich in weiterer Folge für die Rechte der slowenischen Minderheit in Kärnten ein.13

 

Zur Verbesserung der slowenischen Sprachkompetenz müssten aber in Hinkunft, wie von der zuständigen Schulinspektorin gefordert (s.o.), die Gesetze eingehalten werden und an allen zweisprachigen Volksschulen müsste tatsächlich im selben Ausmaß in slowenischer und deutscher Sprache unter-richtet werden. Diese Forderung stammt aus dem Jahre 2017. Von politischer Seite gab es dazu bisher keine Reaktionen.

 


 

Treffen Kärnten – Slowenien: Einvernehmen mit Vertretern der slowenischen Minderheit in Kärnten, jedoch keine Kontaktaufnahme mit der deutschen Minderheit in Slowenien.

 

29.3.2019 Slowenien – Gemeinsames Komitee Kärnten-Slowenien tagt in Brdo. Der slowenische Außenminister Miro Cerar lobt den Kärntner Landeshauptmann für die Verdienste, dass die Zweisprachigkeit im österreichischen Kärnten immer mehr zur Normalität wird.

 

Miro Cerar empfing vor dem Treffen Vertreter der Kärntner Slowenen.

 

Minister Cerar: Beim Gespräch sagte ich meinem Freund, dem Landeshauptmann, dass mir auch die Vertreter der slowenischen Volksgruppe im österreichischen Kärnten, mit denen ich bereits am Montag zusammen-gekommen bin, die positiven Trends in den Beziehungen zwischen unserer Minderheit (Anm.: gemeint ist die slowenische Minderheit in Kärnten) und dem Land Kärnten, bestätigt hatten. Sie sagten, dass diese positiven Trends mit seiner aktiven Rolle eben Peter Kaiser angeregt hatte. Für seine Aufmerksamkeit bei der Verwirklichung der Rechte der Minderheit habe ich mich bei ihm auch bedankt. Allerdings übergab ich ihm noch einige Anregungen und Fragen der Kärntner Slowenen in der Erwartung eines weiteren Fortschritts.

 

Landeshauptmann Peter Kaiser, dessen Sympatie für die slowenische Minderheit bekannt sei, bemühte sich, in slowenischer Sprache zu grüßen und zu danken. Kaiser: Einzig das zweisprachige Schulwesen in Kärnten wächst und breitet sich hinsichtlich der Anmeldungen aus. Das ist unsere Investition für die Zukunft. Die Perspektiven sind sehr positiv, denn im Land wird die Zweisprachigkeit immer mehr angenommen. (…) Die 100- Jahrfeier ist eine Gelegenheit, dass wir das Trennende in das Verbindende umwandeln und zwar in eine gemeinsame Feier mit slowenischen Teilnehmern“.

 

Kaiser hob auch die sogenannte Europeada hervor.

 

Eine bessere Entwicklung wünsche sich Kaiser auch hinsichtlich der zweisprachigen Aufschriften. Die letzten Schwierigkeiten mit zweisprachigen Aufschriften in Sielach in der Gemeinde Sittersdorf, die von einem Bürger-meister seiner Sozialdemokratischen Partei geleitet wird, habe er aber nicht extra erwähnt, berichtete Boris Jauševec in der slowenischen Wochenzeitung Novice.14

 

Anmerkung: Im Gegensatz zur slowenischen Minderheit in Kärnten wird betreffend die deutsche Minderheit in Slowenien über keine konkreten Anregungen und Fragen berichtet. Die Vertreter der deutschen Minderheit in Slowenien wurden von der Kärntner Delegation nicht kontaktiert. Die Kärntner Slowenen werden aus der Position des Staates Slowenien als „unsere Minderheit“ geführt. Der Staat Slowenien fungiert als Mutterstaat (Mutterland) der Kärntner Slowenen. Laut Art. 5 der geltenden Verfassung hat Slowenien für die slowenische Minderheit in Kärnten zu sorgen. Aus der Sicht der Sloweninnen und Slowenen in der Kärntner Delegation könnte somit ein Interessenskonflikt zwischen dem „Nachbarstaat Slowenien“ und dem „Mutterstaat Slowenien“ gegeben sein.

 

1 Kleine Zeitung, 19.3.2019, S. 20.
2 Novice, 17.11.2017, S. 4,5.
3 Novice, 22.3.2019, S. 3.
4 Novice, 11.8.2017, S. 5,7.
5 Novice, 30.6.2017, S. 10,11.
6 Novice, 20.10.2017, S. 4.
7 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/2954829/, 21.12.2018.
8 Novice, 18.1.2019, S. 3.
9 Novice, 8.3.2019, S. 4; https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/2966955/, 28.2.2019
10 AS 660, Schachtel 1; Mitteilung des Schul-Bezirkskommissariats Ferlach vom 5.8.1919.
11 Kronen Zeitung, 12.2.2019, S. 2.
12 Der Standard, 7.6.2001, S. 38.
13 Aljaž Pestotnik, daheim in Jesenice (Assling), besuchte die Mittelschule in St. Peter bei St. Jakob im Rosental. Er ist   Vorsitzender des Klubs slowenischer Studenten in Graz und „seit einiger Zeit Kärntner Slowene“. Quelle: Novice, 19.4.2019, S. 23.
14 Novice, 5.4.2019, S. 2