Österreich kein Rechtsstaat?

14.11.2023 EL, NSKS, SKS. und ZSO bringen eine gemeinsame Petition beim Europäischen Parlament ein
14.11.2023 EL, NSKS, SKS. und ZSO bringen eine gemeinsame Petition beim Europäischen Parlament ein

Kärntner Petition an Brüssel

Info Nr. 71

14.11.2023  Brüssel – Die drei slowenischen Zentralorganisationen und die slowenische Einheitsliste bringen eine gemeinsame Petition beim Petitionsausschuss des Europäischen Parlamentes ein.
Die Petition ist unterzeichnet von Gabriel Hribar (Einheitsliste/EL), Valentin Inzko (Rat der Kärntner Slowenen/NSKS), Manuel Jug (Zentralverband slowenischer Organisationen/ZSO) und Bernard Sadovnik (Slowenische Gemeinschaft/SKS).

Information des NSKS: Wir, Vertreter von EL, ZSO, NSKS und SKS haben Anfang November 2023 beim Petitionsausschuss des Europäischen Parlamentes (PETI) eine gemeinsame Petition über die mangelhafte Durchführung von Minderheitenrechten und die Verletzung von rechtsstaatlichen Grundsätzen in Österreich eingebracht.  Mit dieser Petition machen wir gemeinsam auf die nicht entsprechende Realisierung von Minderheitenrechten in Österreich, vor allem bezüglich der slowenischen Volksgemeinschaft, aufmerksam (…) Krippen und Kindergärten müssten deshalb ein Teil des Minderheiten-Schulgesetzes werden. Weil insbesondere die Bundesregierung unsere Forderungen nicht anhört, folgten wir der Anregung der Vorsitzenden von „Minority Intergroup“ und wendeten uns an den PETI, den Ausschuss des Europäischen Parlamentes (…) Für unsere Petition haben wir uns auch die Unterstützung des Abgeordneten des Europäischen Parlamentes und Mitgliedes des PETI, Lorant Vincze (EPP) und der stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses (PETI), Ana Miranda (EFA), gesichert.1

1. Information zu diesen Ansprechpartnern der Kärntner Slowenen
– Ana Miranda
(Partei: Bloque Nacionalista Galego) ist Mitglied der Europäischen Freien Allianz (EFA). Beim Bloque Nacionalista Galego handelt es sich „um eine Gruppe von linken nationalistischen Parteien in Galicien.2 Die Ausrichtung der EFA ist laut Wikipedia der Regionalismus und der Separatismus. An der Sitzung der EFA am 31.3.2017 in Kattowitz nahmen Vertreter der Kärntner Einheitsliste teil (Gabriel Hribar, Lena Kolter, Luka Hribar) und informierten das Plenum über die Verfassungsdiskussion in Kärnten. Der Katalane Josep-Maria Terricabras wollte dieses Thema auch im Europäischen Parlament zur Sprache bringen und dazu Gabriel Hribar einladen.3

Die Partei des Katalanen Terricabras, die Republikanische Linke Kataloniens, tritt für ein von Spanien unabhängiges Katalonien ein. Zur EFA gehören aber auch die sezessionistische, linksliberale Schottische Nationalpartei und die Neu-Flämische Allianz, die die Unabhängigkeit Flanderns von Belgien anstrebt. Die politische Partei „Süd-Tiroler Freiheit“ ist auch in der EFA vertreten und setzt sich für die Loslösung Südtirols von Italien ein.4

Ana Miranda nahm im Jahre 2018 an einer pro-russischen Demonstration in Riga teil. Im Februar 2023 wollte sie als Mitglied einer Delegation des Europaparlaments Israel besuchen. Die Einreise wurde ihr verweigert, da sie die israelische „Besatzung“ Palästinas verurteilt hatte.5

– Lorant Vincze (EPP) gilt als  Vertrauter des ungarischen Präsidenten Viktor Orban. Er ist Präsident der FUEN. Vincze ist Angehöriger der ungarischen Minderheit in Rumänien.  Orban gab bei dieser Minderheit eine Erklärung ab, die nicht nur von der österreichischen Öffentlichkeit heftig kritisiert worden ist. Auch das Auschwitz-Komitee war über die Aussagen empört und sprach von „rassistischen Grundtönen“. Orban sagte nämlich, dass es eine Welt gebe, „in der sich europäische Völker mit den Ankömmlingen von außerhalb Europas vermischen“. Das sei eine „gemischtrassige Welt“. Die Ungarn würden aber nicht zu „Gemischtrassigen“ werden wollen.6
Lorant Vincze stimmt im Wesentlichen mit Orbans Ansichten überein. Vincze: „Man kann erkennen, dass Ungarn sowohl die nationalen Minderheiten in Ungarn als auch die Ungarn im Ausland sehr unterstützt. (…) Nationalismus ist keine schlechte Sache, wenn er darauf abzielt, die nationale Identität und Kultur zu stärken und ein gemeinsames Narrativ für die Menschen zu kreieren. (…) Heute möchte Ungarn keine Immigranten als Arbeitskräfte einsetzen und dies sollte respektiert werden“.7 Ungarn sei laut Vincze der „bedeutendste Unterstützer“ der FUEN. Es wäre daher „undankbar“ Budapest zu kritisieren. Nur die Unterstützung Ungarns habe die FUEN in den letzten vier Jahren vor dem finanziellen Bankrott bewahrt.
Orbans Erklärung stimme mit den Hauptgrundsätzen der FUEN überein. Darin wird laut dem Politikwissenschaftler Samuel Salzborneine komplette ethnische Separierung von Menschen“ gefordert.8  Samuel Salzborn geht in seiner Dissertation, die von Prof. Anton Pelinka begutachtet worden ist, davon aus, dass von der FUEV (heute: FUEN) die Distanz zum Nationalsozialismus zwar formell gewahrt wird, die inhaltliche Grenze jedoch schwer zu ziehen sei. Die national-konservative FUEN wird vom Politikwissenschaftler mit „völkischer Subversionstätigkeit“, einer „deutsch-völkischen“ Haltung und mit einer mit „NS-Politik kontaminierten Volksgruppentheorie“ in Verbindung gebracht.9

Hans Heinrich Hansen, Ehrenpräsident der FUEN befürchtet daher „eine politische Spaltung“ der FUEN: „Ich begrüße ausdrücklich die Initiative der Mitgliedsorganisationen, die sich für eine Kritik an der unsäglichen Spaltungspolitik von Viktor Orban stark gemacht haben. Ich kann es nicht anders ausdrücken: Wehrt den Anfängen!“
Domovina kritisiert den „Orbanismus“ an der Spitze des Dachverbandes FUEN: „Orbanismus und Minderheitenpolitik sind unvereinbar. (…) Deshalb fordern wir das FUEN-Präsidium auf, den FUEN- Präsidenten (Lorant Vincze) schnellmöglich in die Schranken zu weisen, nur so kann die Arbeitsfähigkeit dieses europaweiten Dachverbandes wieder hergestellt werden“.10

Die slowenischen Organisationen in Kärnten werden also vom Gesinnungsgenossen des ungarischen Präsidenten Orban dabei unterstützt, Österreich in Brüssel die Verletzung von rechtsstaatlichen Grundsätzen zum Vorwurf machen.
In Kärnten war FUEN-Präsident Lorant Vinzce trotz seiner Partnerschaft mit dem ungarischen Präsidenten Viktor Orban anlässlich der „Europeada“ im Jahre 2022 ein willkommener Gast.11
Die anklagende Petition wird offensichtlich auch von Landespolitikern und Landesbediensteten, die als Mitglieder dieser slowenischen Gremien wirken, vertreten. Um nur ganz wenige Beispiele zu nennen: Manuel Jug (ZSO) ist der Vertreter des LH Peter Kaiser bei Regierungssitzungen. Franc Jožef Smrtnik (EL) erfüllt auch die Funktion eines Landtagsabgeordneten. Die Petition unterstützt auch  Olga Voglauer (Obfrau der Kärntner  Grünen).12 Besonders zahlreich sind einflussreiche Landesbedienstete in den slowenischen Gremien vertreten, die offensichtlich mit der Petition einverstanden sind, womit unserem Staat in Brüssel die Verletzung rechtsstaatliche Grundsätze zum Vorwurf gemacht worden ist.

2.Diesbezügliche Pressekonferenz am 24.11.2023 (EL, NSKS, ZSO, SKS)
Bereits am 13.6.2023 haben die drei slowenischen Zentralorganisationen und der Verein Kärntner slowenischer Juristen (Obmann: Rudi Vouk) am Sitz des slowenischen Generalkonsulates eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet und sich verpflichtet, gemeinsam dafür einzutreten, dass Österreich im Einklang mit Art. 7 des Staatsvertrages eine Ausweitung des zweisprachigen Geltungsbereiches des zweisprachigen Gerichtswesens auf das gesamte zweisprachige Gebiet zusichert. Das gemeinsame Vorgehen wurde in Anwesenheit des slowenischen Generalkonsuls Dr. Anton Novak, der slowenischen Justizministerin Dominika Švarc Pipan und des slowenischen Ministers Matej Arčon (zuständig für die slowenische Kärntner Minderheit) fixiert.
Generalkonsul Dr. Anton Novak stellte bereits in seiner Dissertation13, die vom Hermagoras-Verlag in Klagenfurt publiziert worden ist, ebenfalls fest, dass Österreich bezüglich der slowenischen Minderheit die Kriterien eines demokratischen Rechtsstaates nicht erfüllt (S. 261). Daraus einige Rechtsansichten des slowenischen Generalkonsuls :
– Novak bezweifelt, dass die Minderheitenschule in Kärnten dem Artikel 30 der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes entspricht: „Es stellt sich nämlich die Frage, ob eine Schule, an der bei Eintritt in die 1. Klasse mehr als die Hälfte der Kinder nicht Slowenisch spricht und nicht aus slowenischen Familien kommt, die slowenische Kultur und Identität vermitteln kann (S. 57).
– In rund 800 Orten, im Bereich, in dem im Jahre 1945 der verpflichtende zweisprachige Unterricht eingeführt worden ist, müssten zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden (S. 73).
– Für die slowenische Minderheit wäre vor allem ein gesichertes Landtagsmandat von Bedeutung.
– Die Volkszählungen ergeben einen ständigen Rückgang der Zahl der slowenischsprachigen Österreicher. Daher benötigt die slowenische Minderheit eine höhere Stufe eines rechtlichen und faktischen Schutzes, denn der derzeitige Schutz sichert nicht einmal den Bestand (S. 107).
– Für die Erhaltung und Entwicklung der slowenischen Minderheit wäre in erster Linie eine konsequente Erfüllung des Art. 7 des Staatsvertrages 1955 von besonderer Bedeutung, dies nicht nur dem Buchstaben, sondern auch dem Geist entsprechend (S. 228).
 – Österreich müsste der slowenischen Minderheit im Landtag eine effektive Mitsprache zusichern. In einigen Bereichen (Kindergartenwesen, Schule, Kultur usw.) müsste man aber die Minderheit ermächtigen, die Angelegenheiten autonom zu regeln (S. 229).
– Slowenien ist in der Rolle der Schutzmacht der slowenischen Minderheit zu wenig aktiv und nützt nicht alle Möglichkeiten, die das internationale Recht bietet. Die slowenische Minderheit erwartet von Slowenien bei der Durchsetzung der von Österreich unerfüllten Verpflichtungen eine größere Unterstützung (S. 244).
– Slowenien ist laut Artikel 5 der Verfassung verpflichtet, für die autochthonen slowenischen Minderheiten in den Nachbarstaaten zu sorgen (S. 245).
– Gebiete in den Nachbarstaaten, in denen slowenische Minderheiten leben, bilden mit dem slowenischen Staatsgebiet den gemeinsamen Kulturraum (S. 247).
– Deutschnationale Kräfte in Österreich, denen auch einige Politiker folgen, verlangen für die Angehörigen der deutschen Nationalität in Slowenien dieselben Rechte, die die slowenische Minderheit in Österreich genießt. Die slowenische Seite macht den Eindruck, dass sie sich vor Österreich fürchtet oder dass sich die slowenische Seite mit Österreich nicht verderben will (S. 249).
– Die Notwendigkeit einer Internationalisierung der Minderheitenfrage sieht die slowenische Minderheit auch heute, denn Österreich benimmt sich nach Ansicht von Rudi Vouk so, als wäre es kein Rechtsstaat (S. 260).
– Schlussfolgerungen des Generalkonsuls:
Österreich verletzt wegen der unerfüllten Verpflichtungen gegenüber der slowenischen Minderheit in Kärnten und in der Steiermark die Menschenrechte der Minderheitenangehörigen und erfüllt somit in diesem Bereich nicht die Kriterien eines demokratischen Rechtsstaates (S. 261). Slowenien könnte Maßnahmen der EU zur Sicherung der Menschenrechte von Angehörigen der slowenischen Minderheit in Österreich und zur Achtung der Grundsätze eines Rechtsstaates verlangen (S. 264).
Die in der Petition vertretenen Forderungen wurden vom slowenischen Generalkonsul Dr. Anton Novak im Wesentlichen also bereits im Jahre 2006 formuliert. 

Die slowenische Volksgruppe sei innerhalb von 100 Jahren von 90.000 Personen auf 9.000 geschrumpft. Ein Trauma, sagte Valentin Inzko. (Dazu ein Hinweis: Die deutsche Minderheit in Slowenien zählte vor 100 Jahren mehr als 90.000 Angehörige. Heute wird diese Minderheit nicht anerkannt. Es gibt sie nicht mehr.)
Mit zwei Ausnahmen – der Erhöhung der Förderungen und der Festlegung der 15a-Vereinbarung für die Förderung der zwei- und mehrsprachigen Kindergärten – habe sich nichts getan, sagte Bernard Sadovnik. Es gehe um den Zugang zur zweisprachigen Gerichtsbarkeit auf dem gesamtem zweisprachigen Gebiet, inklusive  Landesgericht Klagenfurt, formulierte Manuel Jug. Nur 16,7 Prozent der Kinder im Geltungsbereich des Minderheitenschulgesetzes haben auch das Angebot eines zweisprachigen Kindergartens, kritisierte Gabriel Hribar (EL).
Mit einer Petition an das Europäische Parlament wollen die Kärntner Volksgruppenvertreter ihre Forderungen untermauern, erwähnte Kaernten-orf.14

3. Resümee
Der traumatisch empfundene Rückgang der Slowenen (Valentin Inzko) auf derzeit 9.000 dürfte sich fortsetzen. Die strittige Petition nach Brüssel müsste diesen Prozess eher beschleunigen. Umfragen zufolge wollen Kärntner Slowenen zunehmend als slowenischsprachige Kärntner und Österreicher gelten. Auch die „deutschsprachigen Österreicher“ gelten seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr als Deutsche. Die „slowenischsprachigen  Österreicher“ pflegen die slowenische Sprache und Kultur und meiden völkisch-nationale Abgrenzungen und die Vereinnahmung durch den Mutterstaat Slowenien. Die europäische Fußballmeisterschaft „Europeada“, an der im Team Koroška (Kärnten) ausschließlich Angehörige der slowenischen Volksgemeinschaft (narodna skupnost) teilnehmen durften, wurde daher auch von Teilen der slowenischen Minderheit abgelehnt.
Die nationale europaweite Netzbildung mit fragwürdigen Politikern, wie Ana Miranda und Lorant Vincze, erscheint aus staatspolitischer Sicht besorgniserregend. Die Rolle der Landespolitik ist dabei aufklärungsbedürftig.
Vom anti-nationalen Bewusstsein des slowenischsprachigen Geschichtsprofessors Andreas Moritsch aus dem Jahr 1996 sind wir noch immer weit entfernt: „Alle nationalen Ideologien haben kulturelle und politische Ab- und Ausgrenzungen zum Ziel. Das steht der Vereinigung Europas entgegen“.15

1 https://www.nsks.at/aktualno_aktuell/detail/sl/el-nsks-sks-in-zso-vlo…, 14.11.2023; Novice,
17.11.2023, S 5.

2 https://de.wikipedia.org/wiki/Bloque_Nacionalista_Galego, Abruf: 23.11.2023.

3 Novice,  14.4.2017, S. 22.

4 de.wikipedia.org, Abruf: 17.4.2017.

5 https://de.wikipedia.org/wiki/Ana_Miranda_Paz, Abruf: 23.11.2023.

6 Kronen Zeitung, 27.6.2022, S. 6.

7 https://fuen.org/de/article/Die EU-sollte-der-Beschuetzer-nationaler-Minderheiten-sein, 26.4.2018.

8 Samuel Salzborn, Ethnisierung der Politik 2005, S. 254.

9 Samuel Salzborn, Ethnisierung der Politik, Frankfurt/Main 2005. S. 73, 204, 215, 216, 226, 275, 287.

10 https://www.minderheitensekretariat.de/aktuelles/minderheitenrat-di, 12.10.2022; https://www.minderheitensekretariat.de/aktuelles/domovina-kritisier…, 13.10.2022;
imap://josef%2Elausegger%40chello%2Eat@mail,mymagenta, Abruf: 16.10.2022.

11 https://www.ktn.gv.at/Service/News?nid=34604, 26.6.2022. Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser hat sich für die Europeada und die Kooperation mit der FUEN engagiert. LH Kaiser eröffnete die Europeada 2022: „Kärnten zeigt einen gemeinsamen Weg beispielgebend für ganz Europa, wir setzen ein Zeichen – für den Frieden“. Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle nahm an einer Podiumsdiskussion mit dem strittigen FUEN-Präsidenten gemeinsam mit Rudi Vouk und Olga Voglauer teil. Quelle: KZ, 29.8.2022, S. 39.

12 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3234207/, 27.11.2023.

13 Anton Novak, Pravno varstvo slovenske manjšine v Avstriji, Klagenfurt 2005.

14 https://kaernten.orf.at/stories/3233886, 24.11.2023; https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3233882, 24.11.2023; https://www.gov.si/2023-06-13-svarc-pipan-in-arcon-o-zagot…, 13.6.2023.

15 Austria Slovenica, Klagenfurt 1996, S. 23, 57; Kärntner Slovenen – Koroški slovenci 1900-2000, Klagenfurt 2000, S. 28.