Carinthija 2020: Projekt zu Ehren von Karl Prušnik- Gašper

"Presseaussendungen, Land Kärnten"; Datum: 13.9.2021 ; Urheber: Helge Bauer
“Presseaussendungen, Land Kärnten”; Datum: 13.9.2021 ; Urheber: Helge Bauer

Auch in der slowenischen Minderheit höchst umstritten
Was bezweckt damit die Landespolitik?

Info Nr. 47

12.9.2021  Partisanen – Bad Eisenkappel-Vellach: Gedächtniswanderung mit performativen Beiträgen von Tanja Prušnik (Projekt Carinthija 2020) in Erinnerung „an die wichtigsten Ereignisse, die mit den Namen Gašper, Johan und Lenart für den Wiederaufbau Österreichs steht“. Eine Freirauminstallation zieht sich über die gesamte Wegstrecke vom Wölfl- bis zum Peršmanhof. Interviews von Bewohnern aus der Umgebung werden von Schülern des slowenischen Gymnasiums ausgearbeitet.1

 „Gašper“ = Karl Prušnik, „Johan“ = Johann  Zupanc, „Lenart“ = Franc Pasterk.2

Dazu Informationen zum besseren Verständnis:
Auch nach dem deutschen Angriff auf Jugoslawien am 6.4.1941 waren im Hinblick auf den Hitler-Stalin-Pakt vom 23.8.1939 die Kommunisten in Oberkrain und in der Untersteiermark die ersten Vertrauten der Nazis.3 Aber bereits am Tag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22.6.1941 wurde von der Kommunistischen Partei Sloweniens (KPS) zwei Dokumente veröffentlicht, womit die Befreiung und Vereinigung aller Slowenen, auch der Kärntner Slowenen, angekündigt worden ist.4 Weitere diesbezügliche Versprechungen folgten. Mit dieser Kärnten-Strategie konnte die damalige stalinistische Partisanenbewegung auch streng katholische Kärntner Slowenen zur Mitarbeit überreden. 
Als im Sommer 1941 in Jugoslawien der Widerstand gegen den Okkupator begann „wurden in den Herzen der Kärntner Slowenen auch die alten Träume von der Freiheit geweckt. Die Erklärung der drei kommunistischen Parteien aus dem Jahre 1934 (KPS, KPI und KPÖ), betreffend die slowenische Frage, bekam nun in der geänderten internationalen Situation ihre aktuelle politische Dimension. Der Kampf um das Vereinigte Slowenien, dieses alte Ziel des slowenischen Volkes hat die Kommunistische Partei Sloweniens auf ihrem Gründungskongress im Jahre 1937 als Richtlinie ihres Programmes angenommen, wurde nun gemeinsam mit dem Kampf gegen den Nazismus und mit dem Kampf um die Volksherrschaft in Angriff genommen. Da dieses Ziel auch den Wünschen und dem Streben der Kärntner Slowenen entsprach, haben auch sie sich dem Kampf gegen den nazistischen Feind angeschlossen. (…) Trotz aller Opfer und Erfolge wurden die Kärntner Partisanen und die Kärntner Bevölkerung gemeinsam mit den slowenischen und allen jugoslawischen Völkern am Ende (1945) grausam betrogen. (…) Den Befreiungskampf der jugoslawischen Völker krönte noch ein Erfolg: Die Befreiung eines Großteil jener Gebiete, wo die Kärntner Slowenen leben. Mit der Befreiung des Küstengebietes und Kärntens ging auch jener Teil des Programmes der Befreiungsfront (OF) des slowenischen Volkes in Erfüllung, der das Vereinigte Slowenien vorsah. Bei der Realisierung dieses Programmes wirkten auch die Kärntner Slowenen mit und wählten am 16. Mai in Klagenfurt ihren regionalen Volksbefreiungsausschuss. Allerdings konnte das Programm nur für kurze Zeit realisiert werden. Deshalb ist die Behauptung absurd, dass für das unterdrückte Volk die verlorene Volksabstimmung die Lösung seines Problems bedeutet. Die verlorene Volksabstimmung war nur eine verlorene Schlacht, bei der der Unterdrücker aus historischen und praktischen Gründen im Vorteil war. Aber wegen einer verlorenen Schlacht hat ein unterdrücktes Volk nicht aufgehört, nach der Freiheit zu streben“, heißt es im slowenischen Geschichtsbuch, an dem viele prominente Historiker (Vladimir Klemenčič, Janko Pleterski, Tone Zorn, Auguštin Malle, Matevž Grilc, Felix Wieser, Borut Marjan Sturm…) dies- und jenseits der Staatsgrenze mitgearbeitet haben.5

Der kommunistischen Führung sei es gelungen, die Massenhinrichtungen in hohem Maße zu verheimlichen, heißt es im slowenischen Standardwerk „Slowenische Geschichte“.6
Auch im Rahmen der Carinthija 2020-Veranstaltung am 12. 9.2021 in Bad-Eisenkappel waren die Massenhinrichtungen der Partisanen kein Thema:
 An der ganztägigen „Gedenkwanderung“ nahm auch Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser teil.7
Weitere Teilnehmer waren u.a.: Brigitte Entner, Milan Wutte, Franc Jožef Smrtnik, Lena Kolter, Mara Pradetto (Prušniks Tochter), Elisabeth Lobnik (Bürgermeisterin), Landtagsabgeordnete Ruth Freisitzer (SPÖ), Landtagsabgeordneter Stefan Sandrieser (SPÖ), Quintett Brüder Smrtnik…

Der 37. Gedenkmarsch des Kärntner Partisanenverbandes „Auf den Wegen von Johan, Gašper und Lenart“ wurde als ein aufwendiges Kunstprojekt inszeniert. Das Projekt wurde seit 2 Jahren von einem künstlerischen Team von 20 Personen unter der Leitung von Tanja Prušnik ausgearbeitet. Es nahmen allerdings nur 100 Personen an der Veranstaltung teil.
Die Wanderung  führte vom Wölflhof (Heimathaus von Karel Prušnik Gašper) bis zum Peršmanhof (Massaker am Peršmanhof 1945). Die Künstlerin Tanja Prušnik machte mit den Texten ihres Großvaters Karel Prušnik Gašper und einer „Kunstinstallation“ die Geschichte „lesbar, erfahrbar und begehbar“.  Damit werde der Widerstand gegen das Nazi-Regime und auch die Hoffnung auf ein freies Leben des slowenischen Volkes verdeutlicht.
Peter Kaiser (SPÖ) sprach Grußworte: „Es war der historisch belegte Widerstand der Kärntner Partisanen, der dazu beitrug, dass wahrscheinlich der Startschuss in diese Zweite Republik – nach vielen Jahren der Verhandlung – gelang“. Gustav Brumnik sprach für den Partisanenverband. Danilo Prušnik verlas die Grußworte des Bundespräsidenten Van der Bellen.8

Zum Thema der Tito-Partisanen gibt es widersprüchliche Positionen, die bei diesem Projekt von Carinthia 2020 offensichtlich gänzlich ausgeblendet worden sind. Es sind im Interesse einer Wahrheitsfindung nicht alle historischen Aspekte beachtet worden.
Beispielsweise wurden folgende Standpunkte zum Partisanenthema bei der Carinthija 2020 – Veranstaltung am 12.9.2021 ignoriert:
Historiker berichten
, dass die Verstrickung Prušnik-Gašpers in die Verschleppungen evident sei. In Eisenkappel sei die Anweisung zur Erstellung von Namenslisten von Prušnik ausgegangen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass sowohl Kriegsverbrechen als auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht verjähren. Prušnik sei ohne Zweifel eine treibende Kraft bei den Bemühungen um den Anschluss Kärntens an Jugoslawien gewesen. Am 16.4.1945 wurde er in Klagenfurt zum zweiten Stellvertreter des Vorsitzenden der projugoslawischen Gegenregierung designiert.9
Bernarda Fink Inzko: „Weil die Eltern an Gott glaubten und mit den neuen Machthabern nicht übereinstimmten, wurden sie entweder in einen grausamen Tod oder in die Flucht getrieben. Heute ist der Kommunismus untergegangen, er erwies sich als eine Ideologie, die gegen die Menschen und auch gegen das slowenische Volk gerichtet war. Das Verbrechen muss als Verbrechen benannt werden und nur auf der Basis der Wahrheit können wir eine gerechtere Zukunft bauen“.10
 Miro Petek (ehemaliger Vorsitzender der slowenischen Parlamentskommission, zuständig für Kärntner Slowenen): „Die Kommunisten ermordeten im und nach dem Krieg aus Angst, die Macht zu verlieren, massenweise Andersdenkende und potenzielle politische Gegner oder sie mordeten wahllos. Diese verbrecherische Saat ist in der Erbmasse der Nachfolger verankert“.11
Peter Starič (Slowenien): „Wohin mit den Denkmälern der Verbrecher? Mein deutscher Kollege berichtete mir, dass sie dort nach dem Krieg konsequent alle Denkmäler von Nazi-Größen vernichtet hatten. Denkmäler für jene, die bei uns den Bürgerkrieg zur Zeit der Okkupation und mehr als 600 Massengräber verschuldet haben, stehen aber bei uns noch immer“.12
Hanzi Filipič: „Der Sicherheitsdienst (VOS) der Partisanenführnug begann schon im Jahre 1941 gezielt Klassenfeinde zu ermorden, (…) stellenweise wurden ganze Familien, ja, auch Kinder ermordet“.13
Janko Krištof (Dechant): „Ich bin mir dessen bewusst, dass wir Kärntner nur schwer verstehen können, was in Slowenien bereits in der Kriegszeit in vielen Orten passiert ist, da wir bei uns nazistische Henker hatten, die uns bedroht und verfolgt haben. In vielen Orten in Slowenien, vor allem unter der italienischen Okkupation, aber haben dies und noch Schlimmeres die Partisanen bzw. ihr Geheimdienst (VOS) im Namen der Revolution praktiziert“.14
Alois (Lojze) Dolinar:Dechant Janko Krištof sagte die Wahrheit und ist damit den Berufspartisanen und Liebhabern des antifaschistischen Widerstandes in Kärnten auf die Zehen gestiegen, die gut bezahlt für noch besser bezahlte scheinbare Volksbefreiungswerte eintreten. Diese Bezahlten verfälschen planmäßig die Fakten und mildern den verbrecherischen Kommunismus. Hitler selbst lernte vom Kommunismus, wie man Konzentrationslager errichtet und führt“.15

In Slowenien finden auch Gedenkfeiern für die „Opfer der revolutionären Gewalt“, also der Partisanen, statt. Regierungschef Janez Janša sagte im Jahre 2020 bei dieser Gelegenheit: „Das 20. Jahrhundert hat zwei große Übel hervorgebracht, den Nationalsozialismus und den Kommunismus. (…) Arbeiten wir für die Versöhnung, heilen wir die Wunden“. Staatspräsident Borut Pahor: „Heute  begehen wir den 30. Jahrestag der sogenannten Versöhnungsmesse im Hornwald. (…) Ich verstehe eure Schmerzen, die Schmerzen der nach dem Krieg Ermordeten und ihrer Angehörigen. Aber versetzen wir uns in die Lage des Anderen. Verstehen wir auch die Schmerzen der Partisanen und ihrer Angehörigen, die noch immer schwer darunter leiden, wenn man ihnen die echte Heimatliebe abspricht und sie auf politische Revolutionäre reduziert. Die Vergebung und Versöhnung sind tiefe, intime Regungen“.
Die Frage der Tito-Partisanen spaltet die Bevölkerung im Alpen-Adria-Raum. Slowenien finanziert  Organisationen, die sich neutral mit der „nationalen Versöhnung“ beschäftigen.
In Kärnten wäre laut Janko Krištof (Dechant) ein Forum nötig, „wo wir uns mit dieser Frage offen und kritisch beschäftigten und einen besseren gemeinsamen Weg suchten“.16 Darauf gab es in Kärnten keine Reaktion.
Zusammenfassend muss man besorgt feststellen, dass die titoistische Partisanentradition die Idee einer Friedensregion Alpen-Adria gefährdet.17

Siehe auch die Information vom 1. Juni 2021

Perschmannhof (Peršman) in Koprein Petzen am 25. April 1945

 

1 Jubiläumsjahr des Landes Kärnten, Klagenfurt 2020, S. 46.

2 Karl Prušnik wurde gemeinsam mit Franc Haderla p u.a. bereits am 20.8.1935 zu 5 Jahren Haft wegen Hochverrats verurteilt, da die „Kommunisten“ den Anschluss Südkärntens an Jugoslawien propagierten. Quelle: Koroški slovenci v Avstriji včeraj in danes, Ljubljana 1984, S. 45.
Franc Pasterk war sehr religiös. Er erklärte, dass er nicht für den Kommunismus kämpfen wolle und lehnte vorerst eine Unterstützung der Tito-Partisanen ab. Später wurde er dennoch Partisan und trat auch als „Liquidator“ auf. In den Partisaneneinheiten sei laut Linasi niemand mit einer schriftlichen Weisung zum Liquidator bestimmt worden. Meistens meldeten sich dazu Partisanen, die im Zivilberuf Jäger oder Fleischer waren. Pasterk wurde am 27.11.1953 posthum mit dem Verdienstorden „Volksheld Jugoslawiens“ ausgezeichnet. Quellen: https://sl.wikipedia/wiki/Franc_Pasterk, Abruf: 20.9.2021; Marjan Linasi, Koroški partizani, Hermagoras Klagenfurt 2010, S. 609, 611.
Johann Županc  wurde am 13.10.1943 in St. Margarethen im Rosental verwundet und gefangen genommen, er erlag einen Tag später seinen Verletzungen. Beim Verhör gab er angeblich vor dem Gestapomann Sellak zu, dass er von Prušnik Gašper unter Todesdrohung zur Gewalt im Raum Eisenkappel gezwungen worden sei. Prušnik selbst sei eher feige gewesen und erst nach der Besetzung der Häuser erschienen. Župancs Bruder Miha und seine Schwester Maria gehörten zu den dreizehn Slowenen, die am 29.4.1943 in Wien enthauptet wurden. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann%C%BDupanc, Abruf: 20.9.2021.

3 Tamara Griesser-Pečar, Das zerrissene Volk Slowenien 1941 – 1946, Wien 2003, S. 14, 15.

4 Marjan Linasi, Koroški partizani, Klagenfurt 2010, S. 52.

5 Koroški slovenci v Avstriji včeraj in danes, Ljubljana 1984, S. 52, 62, 69, 70, 71.

6 Peter Štih, Vasko Simoniti, Peter Vidopivec, Slowenische Geschichte, Graz 2008, S. 387.

7 https://ktn.gv.at/Service/News?nid=33296; https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3121408; https://kaernten.orf.at/stories/3121239/; Abruf: 15.9.2021.

8 Novice, 17.9.2021, S. 7; 10.9.2021, S. 7.

9 Alfred Elste, Michael Koschat, Paul Strohmaier, Opfer, Täter, Denunzianten, Hermagoras Verlag /Mohorjeva založba, Klagenfurt 2007, S. 194, 195, 205, 211, 242, 243.

10 Delo, Ljubljana, 30.1.2010, S. 30.

11 Demokracija, 18.2.2021, S. 16.

12 Demokracija, 29.6.2017, S. 9.

13 http://novice.at/forum/odgovor-na-pismo-zkp/, 9.12.2017.

14 http://www.novice.at/forum/razdvojenost-in-krivda/, 9.12.2017; Novice, 17.11.2017, S. 2.

15 http://novice,at/forum/zveza-koroskih-partizanov-prijateljev-protifasisticnega-o, Abruf: 13.1.2018.

16 Novice, 1.12.2017, S. 4.

17 Siehe dazu: Josef Lausegger (in Diskussion mit Werner Wintersteiner), Friedenregion Alpen-Adria? Eine Kontroverse, in: Slovenija-Österreich. Befreiendes Erinnern-Osvobajajoče spominjanje (Hrsg.: Jan Brousek, Danijel Grafenauer, Werner Wintersteiner, Daniel Wutti), Klagenfurt 2020, S. 203 ff.