Slowenien: keine Versöhnung in Sicht

 

„ Es besteht die ernste Gefahr, dass sich die Nachkriegstragödie wiederholt“.

8.4.2020  Slowenien – Die Regierung Sloweniens antwortet dem Europarat auf dessen Kritik, dass in Slowenien auf die Medien ein Druck ausgeübt werde. Es wird daran erinnert, dass der Großteil der Medien in Slowenien kommunistischen Ursprungs sei.

„Der Großteil der bedeutendsten Medien stammt aus dem kommunistischen Regime. Sogar in den späten 1990er Jahren wurden Redaktionen mit einigen Mitgliedern des berüchtigten Polizei-Geheimdienstes UDBA besetzt“, heißt es im Brief. Es wird auch darauf hingewiesen, dass noch bis zum Jahre 2004 das öffentliche Radio und das Fernsehen (RTV Slovenija)„von ehemaligen kommunistischen Strukturen geführt worden ist“.
Die Verhältnisse hätten sich in den Jahren 2004 bis 2008, also in der Zeit der ersten Regierung unter Janez Janša, teilweise gebessert. Aber bereits im Jahre 2008 in der Regierungszeit von Borut Pahor „gab es einen immensen Druck auf alle Redakteure und Journalisten, die nicht dem vorherigen Regime-Umfeld angehörten“. Die slowenische Regierung erwähnt im Brief die staatliche Presseagentur STA und RTV SLO und betont, dass ähnliche Aktivitäten auch in Medien privater Eigentümer passierten. Auch dort wurden links-kritische Redakteure sofort aus den leitenden Funktionen entfernt.1
Die Depesche an den Europarat wurde vom offiziellen Pressedienst (UKOM) im Namen der Staatsregierung verfasst. Es folgten parteipolitische Auseinandersetzungen.2

In der Vergangenheit wurde eine ähnliche Sachverhaltsdarstellung vom Studienzentrum für nationale Versöhnung im Spanischen Bericht der Europäischen Kommission verankert. Laut dem Studienzentrum unterrichteten an den Universitäten noch immer Historiker, die als Handlanger der Tito-kommunistischen Partei tätig waren. Diese Historiker würden nun Lehrer und Professoren erziehen. Dieses Zitat betrifft laut der Studienkommission auch andere Bereiche. Es sei eine Tatsache, dass Slowenien der einzige Staat der EU ist, der auf staatlicher Ebene den Kommunismus nicht verurteilt hat. In Deutschland wurden die Mitarbeiter des Geheimdienstes Stasi von bestimmten öffentlichen und staatlichen Posten ausgeschlossen. Die belasteten Professoren, Juristen und Beamten mussten ihre Posten verlassen. In Slowenien gab es überhaupt keine Lustration.3

Es besteht die ernste Gefahr, dass sich die Nachkriegstragödie wiederholt, urteilt der Geschichtsprofessor Stane Granda. Die Täter und noch mehr die ideologischen Nachfahren hätten die Ereignisse (gemeint: die Nachkriegsmorde der Partisanen) in Wahrheit niemals verurteilt und bedauert: „Wir Katholiken wollen anerkannt werden, wir wollen Toleranz. Was unsere Feinde (sic!) für sich verlangen, können sie uns nicht streitig machen“.4 In Slowenien wird die Kritik immer lauter, dass der Opfer der Tito-Partisanen zu wenig gedacht werde. Auch die neue slowenische Regierung (Regierungschef Janez Janša) scheint diese Kritik zu unterstützen. Laut ORF Kärnten (slowenische Abteilung) sei Janša ein „Rechtspopulist“.5

Das Thema ist auch aus Kärntner Sicht von Interesse.
Im Gegensatz zur katholischen Kirche in Slowenien konzentriert sich die Kärntner slowenische Kirchenzeitung „Nedelja“ auf die Opfer des Nationalsozialismus: Memorial Kärnten Koroška (Obmann: Alexander Petritz) habe den unbekannten Opfern des Nazismus Ehre und Namen zurückgegeben. Die Sorge wie das Gedenken an die nazistischen Opfer von Generation zu Generation bewahrt werden kann, werde immer größer (Vincenc Gotthardt).6  Memorial Kärnten Koroška ist eine Plattform von Vereinen, die gegen eine Reaktivierung des Nazi-Faschismus, Rassismus und Antisemitismus auftreten. Die Opfer des Stalinismus (Kommunismus) werden von der Plattform nicht thematisiert. Milan Wutte, Obmann des Kärntner Partisanenverbandes, protestiert daher gegen die Entscheidung der tschechischen Regierung, das Denkmal für den Marschall der russischen Armee beim Konzentrationslager Auschwitz zu entfernen: „Dass dies gerade  75 Jahre nach der Befreiung Europas vom faschistischen und nazistischen Joch passiert, ist nur ein Stein mehr im Mosaik der Erneuerung des Rechtsextremismus und Neofaschismus. Dies geschieht teilweise sogar mit Unterstützung des Europäischen Parlaments. Damit habe man das Denkmal des Marschalls jener Roten Armee vernichtet, die nicht nur eine immense Zahl an Menschenopfern, sondern auch die gesamte Tapferkeit und Energie für die Befreiung Europas eingesetzt hat.7
In Entschließungen des Europäischen Parlaments werden hingegen Nazismus, Stalinismus und faschistische sowie kommunistische Regime als gemeinsames Erbe anerkannt und es wird eine tiefgreifende Debatte über deren Verbrechen im vergangenen Jahrhundert erwartet. Es wird explizit auch die Offenlegung und Bewertung der von den totalitären kommunistischen Regimen begangenen Verbrechen gefordert und eine moralische Erneuerung erwartet.
Den Tito-Partisanen und den heutigen Partisanenverbänden wird in Slowenien, und gelegentlich auch in Kärnten, seit jeher zum Vorwurf gemacht, dass sie Anti-Kommunisten und Anti-Stalinisten generell als Faschisten und Kollaborateure diffamierten. Diese Argumentation wird nun auch gegen das Europäische Parlament praktiziert. Von Anbeginn sei es klar gewesen, dass es den slowenischen Kommunisten ausschließlich um die Machtergreifung und nicht um den Kampf gegen den Besatzer gegangen sei. In Laibach habe man im Namen dieser „edlen Revolution“ mehrere tausend Slowenen ermordet, nach Kriegsende von Mai 1945 bis Jänner 1946 seien es rund 15.000 gewesen, so die Postion vieler slowenischer Historikerinnen und Historiker.8 Auch die neue Ministerin für die Slowenen im benachbarten Ausland, sie ist auch für die Kärntner Slowenen zuständig, vertritt als Historikerin eine ähnliche Position. Die Maskierung der Marxisten-Leninisten als „antifaschistisch-demokratische Kräfte“ sei eine Idee Stalins gewesen, schreibt Ludwig Bayer in „Paneuropa“.9
Die vom Europäischen Parlament erhoffte „Wiederversöhnung“ ist derzeit also nicht in Sicht.
 Anmerkung: Die Befürchtung, dass sich die schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit wiederholen könnten, scheint aus Kärntner Sicht (noch) unverständlich. Nach dem Coronavirus ist allerdings ein ökonomischer und sozialer Niedergang zu befürchten. Die Geschichte lehrt uns, dass damit  politische und nationale Extremisten einen Zulauf bekommen. Anzeichen dafür sind bereits gegeben.
Das Faktum, dass im Jubiläumsjahr 2020 zu dieser heiklen Thematik nicht einmal am Rande ein Dialog geplant ist, macht unsere Hilfslosigkeit deutlich, wenn es um die Bildung einer Friedensregion Alpen-Adria geht. 

 

 

1 https://www.rtvslo.si/slovenija/vlada-v-pismu-svetu-evrope-odgovar…, 8.4.2020.

2 https://www.rtvslo.si/slovenija/depeso-svetu-evrope-poslal-ukom-ko…, 9.4.2020.

3 https://www.scnr.si/odgovori-lanice-sveta-scnr-dr-tamara-griesser-pe…, Abruf: 10.4.2020;
www.scnr, 3.2.2011.

4 Družina, Nr. 15-16/2020; www.casnik.si/katolicani-dojemamo-locitev-cerkve-od-drzav…, 30.4.2020.

5 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/meldungen/stories/3044061/, 15.4.2020.

6 Nedelja, 3.5.2020, S. 3, 12,

7 Novice, 1.5.2020, S. 4.

8 Tamara Griesser-Pečar, www.demokracija.si/slovenija/tamara-griesser-pecar-dan-upora-proti-okupatorju-je-praznik-brez-vsebine.html, 27.4.2020.

9 Paneuropa, Nr. 2/2020, S. 14 ff.