Gedenktafel für die Kampfgefährtin von General Maister
oder für eine „Botanikerin“?
Info Nr. 51
28.10.2021 Piskernik – Eine Gedenktafel wird in Klagenfurt am Konvent der Ursulinen für die „Botanikerin“ Angela Piskernik enthüllt. Anwesende: Bischof Josef Marketz, Peter Gstettner, slow. Ministerin Helena Jaklitsch, slow. Generalkonsul Anton Novak, Bürgermeister-Stv. von Laibach Dejan Crnek… 1 Es fehlten offensichtlich Landespolitiker, der Kärntner Partisanenverband, ein Repräsentant der katholischen Kirche aus Slowenien und renommierte Botaniker.
Sonja Koschier (Grüne Politikerin) las aus einer vorwissenschaftlichen Arbeit ihrer Tochter Zala. Sie sei sehr froh und stolz über die Gedenktafel. Dies sei ein erster Schritt für eine öffentliche Anerkennung seitens der Stadt Klagenfurt.
Helena Jaklitsch: „Kärnten gab uns viele große Slowenen, deshalb kann man aus der Sicht Sloweniens wirklich sagen, dass Kärnten die Wiege des Slowentums ist“. (Daraus kann man schon erahnen, mit welchen nationalpolitischen Hintergedanken diese Gedenktafel errichtet worden ist.)
Unter dem Titel: „Ein glücklicher Augenblick für die Stadt und das Bistum“, berichtete die Kirchenzeitung „Nedelja“ von der Enthüllung. Angela Piskernik war durchdrungen von der Liebe zu ihrem Volk, so Ministerin Jaklitsch. „Ihre Früchte aber kommen nun zurück und wir freuen uns darüber sehr“, sagte Bischof Marketz, der die Gedenktafel gesegnet hat.2
Angela Piskernik „kämpfte leidenschaftlich für Pflanzen, Tiere und für Frauenrechte“. Als ein Freund sich 1943 im Widerstand engagierte, wurde auch Piskernik verhaftet, berichtete die Kronen Zeitung lückenhaft (Christina Natascha Kogler).3
Wegen eines Gutachtens des Kärntner Landesarchivs, wonach Angela Piskernik zur Zeit der Volksabstimmung 1920 gegen Österreich agitiert hatte und daher keine Ehrung verdiene, unterblieb bisher in Klagenfurt eine Ehrung der Genannten. Dieses Argument sei „überholt“, erklärte Peter Gstettner, ein Initiator des Denkmals. Der Landeskonservator Gorazd Živkovič kritisierte deshalb das Kärntner Landesarchiv in der slowenischen Kärntner Kirchenzeitung „Nedelja“ (!) besonders polemisch.4
1. Wer war Angela Piskernik wirklich?
In der Ausstellung „Za zmeraj gre“ (erstellt vom Staatsarchiv Sloweniens) wird sie im Zusammenhang mit dem slowenischen Kampf um die Nordgrenze 1918-1920 gewürdigt. Am 28./29.8.1919 fand in Laibach mit der Landesregierung (Vorsitz: Janko Brejc) eine Sitzung zur Durchführung der Volksabstimmung in Kärnten statt. Daran nahmen auch Kärntner Slowenen, darunter Angela Piskernik als Repräsentantin der pro-jugoslawischen Frauenorganisationen, teil. Piskernik schloss sich bereits im Frühjahr 1919 aktiv dem Kampf um die slowenische Nordgrenze an. Unter den Kärntner Frauen leitete sie die Propaganda für Jugoslawien. Sie organisierte den (pro-jugoslawischen) Verband der Frauenvereine in Kärnten mit 56 Vereinen und über 6.000 Mitgliedern, hatte öffentliche Auftritte und schrieb Zeitungsartikel.5 1915/16 war sie bereits als Hauslehrerin bei der Familie Janko Brejc (!) und ab 1916 als Kustodin am Krainer Landesmuseum in Laibach tätig.6
Piskernik sei eine außergewöhnlich kämpferische Frau gewesen. Ihr Kampfgeist kam auch bei den Volksabstimmungsdemonstrationen zum Ausdruck. Politisch und historisch sei sie in Kärnten so bedeutsam gewesen, dass man sie Seite an Seite zu General Rudolf Maister, dem Kämpfer um die slowenische Nordgrenze, stellen könne, schwärmen slowenischnationale Historiker.7 Mit Unterstützung der Landesregierung in Laibach und in Kooperation mit dem Volksrat für Kärnten (Sitz: Völkermarkt) agitiertePiskernik „eifrig“ zu Gunsten des Königreiches-SHS.8
In der Volksabstimmungszeit habe sich Angela Piskernik sehr engagiert. Sie trat bei Protestaktionen als Propagandarednerin auf, damit Südkärnten unter jugoslawische Verwaltung gestellt wird. „Auch nach der verlorenen Volksabstimmung blieb sie ihrer Überzeugung treu“, wird in einer Diplomarbeit festgehalten.9 Sie ignorierte die Volksabstimmung 1920 und propagierte noch Jahrzehnte danach den Anschlussgedanken: „Ich glaube daran, dass wir uns einmal mit den Kärntner Slowenen vereinigen werden“.10
Piskernik wurde am 27.8.1886 in Lobnig, vlg. Vrbnik, geboren. Janez Stergar macht darauf aufmerksam, dass Frau Piskernik für die slowenische Seite und ihre Ziele von außergewöhnlicher Bedeutung war. Für die propagandistischen völkischen Aktivitäten in Kärnten wurde dem General Maister ein Taggeld von 50 K. ausbezahlt, Piskernik erhielt 30 K. Dies „ist ein Beweis für die große Bedeutung unserer Heldin (gemeint: Angela Piskernik) in dieser Organisation“. Angeblich hätten sich aber die junge Piskernik und der ältere General „auch ansonsten gut verstanden“, vermutet Janez Stergar.
Zur Zeit des Zweiten Weltkrieges war sie eng mit der Familie Kidrič verbandelt. Vormals war Piskernik sehr katholisch eingestellt, „nun wurde sie zur Kommunistin“. Die Verbindung mit der Familie Kidrič und die „gesamte völkische Arbeit“ dürften der Grund für die Verfolgung in der Kriegszeit gewesen sein: „Bereits als Studentin und noch mehr zur Zeit der Volksabstimmung zog sie sich die Feindschaft der Deutschen und Deutschtümler zu. Weil sie aber auch in der Zeit der Okkupation eine nationalbewusste Slowenin geblieben ist, wurde sie bald nach der Besetzung eingesperrt und in das berüchtigte Ravensbrück gebracht“, so Stergar11
Im November 1943 wurde sie arretiert. In der Kartei der Polizei der Domobranci gab es den Hinweis, dass „sie mit der Familie Kidrič verbunden ist“. Die Deutschen haben sie mit Hilfe der (slowenischen) Domobranci (Landeswehr) interniert, weil sie mit France Kidrič, dem Professor an der Laibacher Universität und Vater von Boris Kidrič in Verbindung stand. Boris Kidrič zählte zu den Schlüsselpersonen der Befreiungsfront (OF). Nach Kriegsende wurde Angela Piskernik mit der Leitung des naturkundlichen Museums in Laibach betraut. Die Entscheidung dürfte höchstwahrscheinlich Boris Kidrič gefällt haben, der damals Regierungschef war. Angela und ihre Fähigkeiten habe er gut gekannt.12
Wenn also Angela Piskernik mit Hilfe der streng katholischen, antikommunistischen Slowenen (Domobranci) interniert wurde, dann kann man ruhigen Gewissens davon ausgehen, dass die slowenischen Katholiken der Botanikerin ein schweres schuldhaftes Verhalten zum Vorwurf gemacht hatten.
Boris Kidrič war im Jahre 1937 einer der Gründer der Kommunistischen Partei Sloweniens und organisierte gemeinsam mit Edvard Kardelj den Partisanenkampf. Bereits im Parteiprogramm 1937 versprachen die slowenischen Kommunisten den Anschluss Südkärntens an Jugoslawien. Kidrič hatte in der Nachkriegszeit erheblichen Anteil an der Enteignung und Vertreibung der deutschsprachigen Minderheit. Die Gemeinde Strnišče (Sterntal), in der sich das zentrale Lager, auch Konzentrationslager genannt, für die Vertreibung und Ermordung der Deutschen befand, wurde danach nach ihm „Kidričevo“ genannt.13
Helena Jaklitsch veröffentlichte als Historikerin ein Verzeichnis der Opfer der revolutionären Gewalt in der Laibacher Provinz bis Ende Juli 1942. Das Verzeichnis beweise, dass diese Menschen, darunter 12 Geistliche, zu Opfern der revolutionären Gewalt geworden sind, bevor die Slowenen hilfesuchend beim Okkupator Unterstützung gefunden haben. Ende August 1941 hätte Boris Kidrič bereits diktiert: „Wer heute auf irgendeine Weise die Kommunistische Partei angreift, arbeitet gegen das Volk und befindet sich auf derselben Linie wie die deutschen und italienischen Faschisten“.14 Boris Kidrič war verantwortlich dafür, dass das Zentralkomitee der KP Sloweniens folgende streng geheime Deklaration erließ: Hingerichtet werden sollten alle Führer und Funktionäre der bürgerlichen Parteien, Großgrundbesitzer, Kapitalisten, Industrielle, Führer der Weißen und Blauen Garde, Intellektuelle, Studenten, SS-und Gestapomänner, Geistliche, die sich gegen die Arbeiterschaft geäußert hatten sowie Gegner der Befreiungsfront (OF) und – sollte es die Situation verlangen – alle Personen, die dem Befreiungskampf Widerstand geleistet hatten.15
Am 11.12.1939 heirateten im Laibacher Gefängnis Boris Kidrič und Zdenka Kidrič, geb. Armič, mit Unterstützung des aus Kärnten stammenden Priesters Lambert Ehrlich. Der slowenischnationale Ehrlich stand bekanntlich in der Volksabstimmungszeit der jugoslawischen Regierung als Experte zur Verfügung. Das Paar wurde mit Unterstützung dieses Priesters aus dem Gefängnis entlassen, musste aber geloben, dem Kommunismus abzuschwören. Dieses Gelöbnis wurde vom Ehepaar Kidrič gebrochen. Unter der Führung von Zdenka Kidrič verübte der militärische Nachrichtendienst VOS Attentate auf „angesehene Slowenen“ – darunter sogar auf den Priester Lambert Ehrlich, dem das Ehepaar Kidrič viel zu verdanken hatte.16 „Denkmäler für solche Verbrecher, wie Boris Kidrič und Edvard Kardelj, haben vor dem Parlament und dem Präsidentenpalast nichts verloren“, propagieren slowenische, antikommunistische Journalisten.17
Nach dem Krieg wurde die „Genossin“ Angela Piskernik Museumsdirektorin. Dass sie diesen Posten nicht nur wegen ihrer Fachkenntnisse, sondern auch wegen ihrer Freundschaft mit Boris Kidrič, der im Mai 1945 slowenischer Regierungschef geworden ist, erhielt, dürfte bekannt sein. Piskernik „fühlte sich selbstverständlich zu recht mit der siegreichen Gesellschaft der Genossen verbunden“. Aus der erhaltenen persönlichen Korrespondenz sei ihre aufrichtige Sorge für das Schicksal der Kärntner Landsleute ersichtlich: „Der Garant für ihre Erlösung sollte das neue Jugoslawien sein“.
Im Jahre 1966 wurde Angela Piskernik vom jugoslawischen Präsidenten Josip Broz Tito mit dem Volksorden mit goldenem Stern „für besondere Verdienste, erreicht bei der Arbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung des (jugoslawischen) Staates“, ausgezeichnet.
Piskernik habe nach dem Krieg mit ihrer Kooperation in der Befreiungsbewegung nicht geprahlt und diesen Umstand nicht ausgenützt. Erst im Jahre 1965 erhielt sie einen Pensionszuschuss für ihre Lebensverdienste im naturkundlichen Bereich und für ihre Verdienste um die Slowenen in Kärnten. Ihr Leben bewegte sich zwischen ihrem Fachgebiet und der leidenden Kärntner Erde und deren Problemen (Janez Stergar).
Diese schwerwiegenden Fakten wurden im Zusammenhang mit der Gedenktafel verschwiegen. Mit diesem Verschweigen bzw. mit einer solchen einseitigen Darstellung wird die Sicht auf den historischen Hintergrund verfälscht.18 Bezeichnenderweise äußerte sich Angela Piskernik selbst zu ihrem Verhalten während des Zweiten Weltkrieges „nie sehr detailliert“.19
Auf meine Rückfrage betreffend die Beziehung der Geehrten zur Kirche in Slowenien antwortete ein renommierter Laibacher Fachexperte: „Die Kirche kollaborierte mit Faschisten und Nazisten, da sie sich vor den Kommunisten fürchtete. Angela war in der Befreiungsfront (OF), die von den Kommunisten übernommen worden ist. Vielleicht ist das der Grund für eine (allfällige) Ablehnung der katholischen Kirche in Slowenien. Ich kenne den Sachverhalt aber nicht, das ist nur meine Vermutung. Bei uns ist Angela aber eine unbekannte Person“ (sinngemäß übersetzt).20
2. Einige Mitglieder der slowenischbewussten Familie Piskernik hätten sich nach der Volksabstimmung assimiliert und wollten bessere Deutsche werden. Da das Vrbnik-Anwesen in deutschtümlerische bzw. fremde Hände überging, wollte sich Angela Piskernik nicht im Familiengrab in Eisenkappel beerdigen lassen. Ihren Schülern habe sie aber verraten, dass ihre Muttersprache bzw. die Sprache ihrer Mutter deutsch war, so Stergar. Auch der Kärntner Historiker Avguštin Malle berichtet, dass Angela „in einer harten und slowenischbewussten Familienumgebung in der Ortschaft Lobnig“ aufgewachsen sei.21
Von der Piskernik-Verwandschaft in Eisenkappel konnte allerdings in Erfahrung gebracht werden, dass ihr Elternhaus bereits vor der Volksabstimmung 1920 pro-österreichisch (aus slowenischer Sicht: deutschtümlerisch, deutschfreundlich, windisch) orientiert war. Der Besitzersohn Josef Piskernik (s.u.) ist bei der Volksabstimmung für Österreich eingetreten.
Angela kam offensichtlich bei ihrem Studium in slowenischnationale, pro-jugoslawische Kreise – also aus pro-österreichischer Sicht in eine „schlechte Gesellschaft“. Sie sei auf dem Klopeiner See mit Rudolf Maister Boot gefahren und habe mit ihm auch politische Erfahrungen ausgetauscht. Zu einer Bootsfahrt nahm Tante Angela auch eine Nichte mit. Nach Ansicht dieses Kindes sei der Begleiter der Tante „schiach“ gewesen.
Im Zusammenhang mit dem Niederbrennen des Elternhauses (vlg. Vrbnik) durch die Partisanen seien einheimische Eisenkappler der Ansicht, dass auch der Perschmannhof von den Partisanen selbst in Brand gesteckt worden sei.22
Der Besitzersohn des Vrbnik-Anwesens, Josef Piskernik, wurde im Juni 1943 von den Partisanen ermordet und der Hof niedergebrannt. Josef musste sich bei der Volksabstimmung 1920 sehr österreichbewusst verhalten haben, da auch der Partisanen-Historiker Marjan Linasi ausdrücklich in Erinnerung ruft, dass Josef „bei der Volksabstimmung für Österreich gestimmt hat“.23 Damit war er zweifellos ein Gegner seiner Tante Angela, die gemeinsam mit Maister für Jugoslawien agitierte. Otilija (Otillie) und Veronika Piskernik wurden im März 1944 vom slowenischen Geheimdienst VOS umgebracht. Der Geheimdienst wurde von Frau Kidrič geleitet. Eine bedeutende Rolle habe bei diesen Aktionen Karel Prušnik-Gašper gespielt. Er soll sogar ein Neffe des ermordeten Josef Piskernik gewesen sein, berichtet Linasi. Emil Piskernik, ein Bruder der ermordeten Schwestern, sei danach aber zu den Partisanen gegangen. 24 Auch Prušnik stand in einem Naheverhältnis zu Angela Piskernik.
Die Frage, ob Angela im Hinblick auf ihre Beziehung zur Familie Kidrič diesbezüglich einen Einfluss ausüben konnte oder wollte, wurde bisher nicht öffentlich beantwortet. Die Verantwortlichen für die Errichtung der Gedenktafel (Peter Gstettner, Pavel Zablatnik, Bischof Marketz, Helena Jaklitsch…) hätten diese Frage vorher von kritischen Historikern prüfen lassen müssen. Bezeichnenderweise soll die große Piskernik-Verwandschaft zur Enthüllung der Gedenktafel für ihre Verwandte Angela nicht eingeladen worden sein. Der Partisanenopfer der Familie wurde nicht gedacht.
3. Nach der Enthüllung und Weihe der Gedenktafel wurden am nächsten Tag Gräber weiterer ehemaliger jugoslawischen Aktivisten zur Zeit der Volksabstimmung besucht.25 Im Dunstkreis der 100- Jahrfeiern der Kärntner Volksabstimmung sind die Besuche der slowenischen Ministerin von Denkmälern pro-jugoslawischer Agitatoren als klarer Hinweis zu werten, dass Piskernik nicht als Botanikerin, sondern ebenfalls als pro-jugoslawische Aktivistin noch heute gewürdigt wird.
4. Piskernik oder Steinacher?
Das Argument, Angela Piskernik verdiene die Gedenktafel nicht, da sie auf Basis einer demokratischen Entscheidung für den Anschluss Südkärntens an den SHS Staat eingetreten ist, sei nicht stichhältig, da ansonsten ja auch öffentliche Stellen nicht nach Personen benannt werden dürften, die sich in den dreißiger Jahren für den Anschluss an Deutschland eingesetzt haben, gibt Reginald Vospernik zu bedenken.26 Dieses Argument erscheint grundsätzlich stichhältig.
Man darf aber nicht übersehen, dass die ehemaligen Deutschnationalen (z.B. Hans Steinacher) heute nicht mehr von einem „deutschen“ Bischof gewürdigt und diese nicht als „gute Deutsche“ gepriesen werden. Es wird auch nicht bedauert, dass sie wegen ihres Einsatzes für den Anschluss an das Mutterland Deutschland nach Deutschland flüchten mussten. Es ist kein deutscher Minister (mehr) anwesend, der die Zuständigkeit für die österreichischen Deutschen in Anspruch nimmt.
Steinacher war vor der Volksabstimmung 1920 ein äußerst verdienstvoller österreichischer Abwehrkämpfer. Piskernik war hingegen eine pro-jugoslawische, also anti-österreichische Kampfgefährtin des gewalttätigen Besatzers Rudolf Maister. Der Kampf um den Anschluss an Deutschland ist verboten (Verbotsgesetz). Für den Kampf um die slowenische Nordgrenze gilt dieses Verbot leider nicht.
Im Zweiten Weltkrieg haben die Kontrahenten Piskernik und Steinacher mit totalitären Regimen, dem kommunistischen oder dem nationalsozialistischen, sympathisiert. Steinacher dürfte nach Ansicht von Historikern zu jenen Kärntner Persönlichkeiten gehört haben, die gegen die Deportation von Kärntner Slowenen im April 1942 protestierten. Da seine Meinungen von Volk und Staat nicht unbedingt mit der NS-Politik übereinstimmten, fiel Steinacher in Ungnade, wird auch von kritischen Historikern einbekannt.27
Piskernik war mit der extrem einflussreichen kommunistischen Familie Kidrič eng befreundet. Boris Kidrič trägt für die Vertreibung und Ermordung der deutschen Minderheit (s.o.) bzw. für die „Vernichtung der deutschen Minderheit in Slowenien“ (Jože Dežman, Hanzi Filipič28) die Hauptverantwortung. Kidrič fasste auch die Leitlinien der Antiimperialistischen Front (PIF) Ende April 1941 zusammen, und forderte dezidiert die „Befreiung aller Slowenen und die Vereinigung des zerstückelten slowenischen Volkes, einschließlich der Kärntner Slowenen…“.29 Welche Rolle spielte in dieser Zeit die Kidrič-Vertraute Angela Piskernik? Es müsste auch im Interesse des Bischofs Marketz liegen, diese Fragen von objektiven Historikern beantworten zu lassen.
Der Kärntner Heimatdienst ließ im Zusammenhang mit einem Steinacher-Denkmal „auch kritische Historiker zu Steinachers dunklen Seiten während der NS-Zeit in einem Sammelband zu Wort“ kommen. Der KHD wolle im Zusammenwirken mit der deutsch-slowenischen Kärntner Konsensgruppe „seine Versöhnungsarbeit fortsetzen“, so Josef Feldner.30 Solche Worte und Strategien möchte man auch im Zusammenhang mit der Piskernik-Gedenktafel hören.
Hans Steinacher wirkte vor der Volksabstimmung 1920 zweifellos im österreichischen Interesse und leistete einen entscheidenden Beitrag, damit Südkärnten bei Österreich geblieben ist. Angela Piskernik war in dieser Zeit eine „Heldin“ im Dienste Jugoslawiens. Wenn man die beiden „Helden“ ehren will, dann muss für Steinacher ein Denkmal in Österreich und für Piskernik eines in Slowenien stehen.
5. Angela Piskernik sei im Bewusstsein eines durchschnittlichen slowenischen Intellektuellen „wenig bis gar nicht“ verankert. Keine Gasse sei nach ihr benannt, stellt der Initiator der Piskernik-Gedenktafeln in Kärnten, Janez Stergar, in seinem bereits zitierten Aufsatz im Jahre 2004 fest. Der breiten Öffentlichkeit „ziemlich unbekannten Kärntner slowenischen Botanikerin“ war am 8.11.2005 ein Symposion gewidmet.31 (Erst im Jahre 2018 wurde in Laibach ein Park nach Angela Piskernik benannt). Zu ihrem 70. Geburtstag im Jahre 1956 wurde der Jubilarin gedankt für „ihre mehr als 50 Jahre währende unermüdliche Arbeit, die sie den Kärntner Slowenen im Rahmen des Kampfes für die Gleichberechtigung und Freiheit gewidmet hat“.32
Mit diesem Beitrag soll nicht der Mensch Angela Piskernik in Misskredit gebracht werden. Angela lebte dem damaligen völkisch-nationalen Zeitgeist entsprechend als äußerst nationalbewusste Slowenin und setzte sich daher engagiert im Rahmen der Volksabstimmung 1920 für den Anschluss Südkärntens an Jugoslawien ein. Das war damals (!) legitim.
Das Umfeld der Gedenktafel lässt allerdings den Schluss zu, dass damit eine slowenischnationale, projugoslawische Agitation positiv und nachahmenswert in Erinnerung gerufen werden soll. Dieser Hintergedanke erscheint aber für österreichische Staatsbürger nicht akzeptabel. Keiner der österreichischen Initiatoren hat sich von der damaligen antiösterreichischen, verräterischen Agitation der Botanikerin distanziert. Auf der Gedenktafel wird das pro-jugoslawische Lebensziel verheimlicht. Dass im slowenischen Text aus Klagenfurt Celovec, aus Wien Dunaj wird, Laibach jedoch auch im deutschen Text Ljubljana heißt, ist ein weiterer Hinweis auf eine nationalpolitische Piskernik-Aktion.
6. Konkret zum Text der Gedenktafel
– Angela Piskernik sei „eine Botanikerin und Naturschützerin von Weltrang in Ljubljana“.
Sie sei aber sogar in Slowenien kaum bekannt (s.o.). Für eine berühmte Laibacher Botanikerin hätten natürlich Laibacher Fachexperten und nicht ein Klub von (ehemaligen) pro-jugoslawisch orientierten Slowenen in Slowenien eine Gedenktafel iniziiert.
– A. P. sei „Vorsitzende des Christlichen Frauenverbandes“ gewesen.
Diese Funktion erfüllte sie aber in Slowenien. Für eine Ehrung der Botanikerin wäre also die Kirche in Slowenien zuständig. Warum wird die Botanikerin von der Kirche in Slowenien nicht geehrt?
– A. P. sei „eine Überlebende des KZ Ravensbrück“.
Dieses schwere Schicksal dürfte sie den slowenischen, antikommunistischen Katholiken (Domobranci, s.o.) zu verdanken haben.
– A. P. sei „eine Wegbereiterin für grenzüberschreitende Nationalparks im Alpen-Adria-Raum“.
Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria und der bilateralen Kontakte zwischen Kärnten und Slowenien ist aber der Name Angela Piskernik nie aufgetaucht (Josef Lausegger).
Die Idee einer Würdigung der Genannten kam vom Klub der Kärntner Slowenen in Slowenien. Der Klub wurde nach der Volksabstimmung von jugoslawisch orientierten Kärntner Slowenen gegründet. Dieser Personenkreis verehrt(e) die Botanikerin wegen ihrer Tapferkeit im Zusammenhang mit der jugoslawischen Propagandatätigkeit. Das war für den pro-jugoslawischen Klub natürlich das Motiv für die Errichtung von Piskernik-Gedenktafeln in Kärnten.
Gemeinsam mit dem Kärntner Bischof befürwortete auch die Oberin der Ursulinen, die slowenische Staatsbürgerin Zorica Blagotinšek, die Anbringung dieser Gedenktafel.33
Der Kärntner Abwehrkampf sei zu Ende, heißt es in Kärnten. Eine gemeinsame friedliche Entwicklung kann aber erst eintreten, wenn auch der Kampf um die slowenische Nordgrenze für beendet erklärt wird. Das Projekt Angela Piskernik ist nicht konsensorientiert.
Es gibt Gründe (s.o.), diese Aktion als eine verdeckte Werbung für den Kampf um die slowenische Nordgrenze zu betrachten.
7. Im Zusammenhang mit der Errichtung der Gedenktafel für eine Mitkämpferin Rudolf Maisters ist zu bedenken, dass in Kärnten der General als Vorbild für die Jugend positioniert wird und die Pädagogische Hochschule in einem Unterrichtsbehelf das Absingen von Maister-Liedern bereits als ein gutes Beispiel anführt. In Slowenien ist Rudolf Maister, dem Verantwortlichen für die Toten des Abwehrkampfes und des Kampfes um die Nordgrenze, ein Staatsfeiertag (23.November) gewidmet.
Am 23.11.1918 habe Maister mit einer „brillanten militärischen Aktion“ die Stadt Marburg (heute: Maribor) befreit. In Kommentaren wird mit Wehmut noch im Jahre 2021 daran erinnert, dass Maister weitere österreichische Städte eingenommen hätte, wenn Laibach damit einverstanden gewesen wäre. Es gibt aber auch Wortmeldungen, wonach ohne Maister die Untersteiermark bei Österreich geblieben wäre und jene Slowenen, die derzeit nach Österreich zur Arbeit fahren, könnten daheim österreichisches Geld verdienen.34 Vor Jahren wurde in Slowenien eine illegale paramilitärische Einheit nach dem Vorbild General Maisters aufgestellt.
General Rudolf Maister sei der „Vater des slowenischen Volkes mit blutigen Händen“, konnte man in Slowenien lesen.35 Wegen des „Marburger Blutsonntags“ (27.1.1919) würde heute Carla del Ponte gegen den slowenischen General eine Anklage (Straftat gegen die Menschlichkeit) einbringen, vermutet Rechtsanwalt Dušan Kolnik. 36 Die österreichischen Medien hätten ihn deshalb als „Schlächter von Marburg“ bezeichnet, so der slowenische Historiker Mihael Glavan. Maister habe auch Todesurteile gegen slowenische Soldaten in Marburg unterzeichnet.37
Der Name Rudolf Maister bedeutet also Gewalt und Irredentismus. Die Würdigung des Generals und seiner Gesinnungsgenossin Angela Piskernik bildet eine Barriere gegen die ersehnte Friedensregion Alpen-Adria (FRAA).
1 Novice, 5.11.2021, S. 9.
2 Nedelja, 14.11.2021, S. 7.
3 Kronen Zeitung, 13.11.2021, S. 32.
4 Gorazd Živkovič (österreichischer Staatsbürger mit jugoslawischem Migrationshintergrund): „Übertragen auf die historische Forschung galt bis vor kurzem im Kärntner Landesarchiv der Grundsatz, dass man einem Kärntner Slowenen, soweit nur möglich, eine öffentliche Ehrung vereiteln muss“. Als letztes Beispiel führt Gorazd Živkovič das Faktum an, dass ein Historiker des Landesarchivs 2015 verhinderte, dass in Klagenfurt eine Straße nach Angela Piskernik benannt wird. Quelle: Nedelja, 21.11.2021, S. 12, 13.
5 Slowenische Ausstellung „Za zmeraj gre“. Die Ausstellung wurde auch im Kärntner Landesarchiv gezeigt.
6 Laut Landesausstellung Carinthija 2020.
7 https://slovenia.si/to-je-slovenija/an-angel-in-the-form-of-a-woman/, 20.4.2020, Autorin: Tanja Glagovčan.
8 Tina Bahovec, Razprave in gradivi 2005, S. 261.
9 Irmgard Paulitsch, Etnološki zapisi narodnega blaga iz zapuščine dr. Angele Piskernik, Graz 2018, S. 6.
10 Delo, 3.9.1966, S. 8.
11 www.inv.si/DocDir/Prispevki/JStergar_APiskernik.pdf, Abruf: 16.11.2021. Autor: Janez Stergar „Ženske skozi zgodovino“, 32. zborovanje slovenskih zgodovinarjev.
12 https://kvarkadabra.net/2019/07/angela-piskernik, Abruf: 22.11.2021; Karavanke, 12.11.2021, S. 6 (Jože Košnjek).
13 https://wikipedia.org/wiki/Boris_Kidri%C4%81D, Abruf: 18.11.2021.
14 Helena Jaklitsch, Verzeichnis der Opfer revolutionärer Gewalt. Nova slovenska zaveza 2015, S. 107 ff.
15 Opfer, Täter, Denunzianten, Hermagoras 2007, S. 181.
16 Demokracija, 21.9.2017, S. 70, Demokracija, 1.6.2017.
17 https://reporter.si/clanek/izjava-dneva/spomeniki-taksim-zlocincem…, 8.7.2019; Igor Kršinar.
18 Vgl. dazu: Arten der Geschichtsfälschung. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichts%C3%A4lschung, Abruf: 7.11.2021.
19 Janez Stergar, Igor Žunkovič, Die Botanikerin Angela Piskernik, S. 72 (https://www.resarchgate.net/publication/346527549_Die Botanikerin…, 2020). Abruf: 7.12.2021.
20 E-Mail vom 2.12.2021.
21 Razprave in gradivo 2005, S. 260.
22 Die Gesprächspartner, Nachkommen des Hauses vlg. Vrbnik, wollen aus verständlichen Gründen nicht genannt werden.
23 Marjan Linasi, Koroški partizani, Mohorjeva 2010, S. 576.
24 Emil Piskernik dürfte sich den Partisanen freiwillig angeschlossen haben. Karel Prušnik soll aber schriftlich die Ermordung des Genannten in Auftrag gegeben haben. Die Todesstrafe sei aus unbekannten Gründen nicht vollzogen worden. Quellen: Koroški partizani, S. 583; Opfer, Täter, Denunzianten, S. 201, 203.
25 Novice, 5.11.2021, S. 7, 9.
26 Nedelja, 31.10.2021, S. 14.
27 Hans Steinacher in Licht und Schatten, Kärntner Heimatdienst 2020; S. Thomas ZelothS. 47; Hellwig Valentin, S. 147.
28 Heisse Spuren des Kalten Krieges, Mohorjeva Hermagoras 2013, S. 51; Boris KIdrič: Die deutsche Minderheit wird es nach dem Krieg nicht mehr geben.
29 Tamara Griesser-Pečar, Das zerrissene Volk Slowenien 1941 – 1946, Böhlau Verlag 2003, S. 117.
Siehe auch Igor Omerza, Stalinist Kardelj: „Streljajte takoj“ (=Schießt sofort), Reporter, 9.8.2021, S.54.
30 KZ, 7.11.2020, S. 31.
31 Danijel Grafenauer, Razprave in gradivi, Ljubljana 2005, S. 260.
32 https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3127418/, 26.10.2021.
33 Nedelja, 5.12.2021, S. 6, 7.
34 https://rtvslo.si/slovenija/pahor-ob-dnevu-rudolfa-maistra-nam…, 23.11.2021; https://www.zurmal24.si/gorenjska/rudolf-maister-na-svoji-nekdanji…, 8.11.2021.
35 Mladina, 23.11.2018, S. 4, 5.
36 Laibacher Zeitung, 23.11.2018, S. 47. 48.
37 Rudolf Maister, Sto let severne meje, Ljubljana 2018, S. 114, 117, 118, 165.